Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft treffen auf Menschen aus der LSBTTIQA+ Community und schlüpfen in ihre Rollen als Leser*innen und Bücher für einen wertschätzenden Dialog.
LSBTTIQA+ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle, intersexuelle, queere sowie asexuelle und aromantische Menschen. Das + am Ende berücksichtigt, dass manche Menschen sich in ihrer Geschlechtsidentität nicht nur auf einen der Begriffe festlegen. Weitere Begriffserklärungen finden sich zum Beispiel hier.
Lebende Bücher
Ein Buch ausleihen, das lebendig ist? Ja! In der lebendigen Bibliothek ist das Buch ein Mensch und spricht über eigene Erlebnisse - der Diskriminierung wie der Selbstbehauptung - und beantwortet Fragen. Dieses Format bringt Menschen zusammen, die sich vielleicht sonst nie begegnet wären. So können sie sich annähern und verstehen lernen, denn „der Spott endet, wo das Verständnis beginnt“, sagte bereits die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach.
Analog ist intensiver, aber auch digital funktioniert Vielfaltsverstärkung
„Wir wollten diese Austauschmöglichkeit einmal digital ausprobieren“, so Roxane Kilchling, Bildungsreferentin der Heinrich Böll Stiftung. Als Premiere bot sich an, Menschen aus der LSBTTQIA+ Community einzuladen und in das Kulturfestival des CSD Stuttgart einzubinden. Christoph Michl, Organisator des CSD, begrüßte das Konzept – ein willkommener Brückenschlag in einem Jahr, in dem wegen der Pandemie viele Veranstaltungen ausfallen. Als Vielfaltsverstärkerin unterstützt die Böll Stiftung das diesjährige Motto des CSD: „Vielfalt braucht Verstärkung“ vollkommen. Michl betonte, dass gerade jetzt, in Zeiten von Unsicherheit, ein gemeinsames Handeln wichtig ist. Mit Diskussionen auf Augenhöhe können die vielen Dimensionen von Vielfalt in der Gesellschaft sichtbar gemacht werden - denn „dann wird sich Vielfalt für alle lohnen.“ Die Themen der beteiligten Bücher reichten von aromantischen und asexuellen Perspektiven auf Queerness, Queerpolitik in Baden-Württemberg über Queer Refugees bis hin zu unsichtbarer Bisexualität oder Transsein im (männlichen) Leistungssport.
„In analoger Form ist natürlich ein noch intensiverer Austausch möglich“, meint Christine Wehner vom Anne Frank Zentrum in Berlin, das vielfältige Erfahrungen mit Lebendigen Bibliotheken hat - vor allem mit jüdischen Lebenswelten. Sie stellte das Konzept der Lebendigen Bibliothek vor, das ursprünglich aus Dänemark stammt. Stets geht es darum, stereotype Vorstellungen gegenüber Minderheiten bewusst zu machen und so idealerweise diskriminierendes Verhalten zu verändern. Immer gilt, dass Kommunikationsregeln verabredet werden und jede Frage gestellt werden darf, aber nicht beantwortet werden muss.
„Ehrlich, inspirierend und bereichernd“
„Die Gespräche, die ‚inspirierend, ehrlich und bereichernd‘ waren, so einige der Rückmeldungen von Teilnehmer*innen, bestärken uns darin dieses Format auszubauen und weitere Perspektiven aufzugreifen“, sagt Annette Goerlich, stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung.
Kontakt
Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
Sabine Demsar
demsar@boell-bw.de
0711 2633 94-10