von Franziska Losse
Warum eigentlich nicht einfach mal Bürger*innen fragen, was sie dazu sagen wie Bürger*innenbeteiligung in Frankfurt am Main aussehen soll? Ein naheliegender Gedanke, dessen Umsetzung jedoch erst in diesem Jahr durch den Verein Mehr als wählen e.V. erfolgte. Die Mitgründerin des Vereins Katharina Liesenberg war am Samstag in Stuttgart und gab uns Einblicke, wie genau in Frankfurt diese Frage angegangen wurde und was derzeit vom Verein Demokratie Innovation e.V. auf deutschlandweiter Ebene geplant ist. 90 Minuten beschäftigten wir uns daher mit dem Format der gelosten Bürger*innenräte, die in Irland schon auf nationaler Ebene Realität sind und dessen Erfolge auch in Frankfurt beindruckten.
Bei diesem Projekt wurden 40 volljährige Menschen aus dem Melderegister ausgelost und 20 Personen aus unterrepräsentierten Gruppen ausgewählt, um gemeinsam Vorschläge zur oben genannten Frage auszuarbeiten. Dafür gab es drei Termine, zunächst um Input zum Thema zu erhalten, dann um die konkreten Vorschläge in Kleingruppen zu erarbeiten und schließlich wurden die Ergebnisse in der gesamten Gruppen präsentiert und darüber abgestimmt. Die Vorschläge wurden letztlich der Stadtverordnetenversammlung als Empfehlung vorgelegt. Die Bürger*innenräte sind also kein Entscheidungs-, sondern lediglich ein beratendes Gremium, über dessen Vorschläge dann ein gewähltes, politisches Entscheidungsgremium abstimmt.
Was Katharinas Kurzvorstellung des Projekts ebenfalls zeigte, war die Tatsache, dass Bürger*innenräte auf allen politischen Ebenen möglich sind – von der kommunalen bis zur nationalen Ebene, wobei auch auf allen Ebenen ein identitätsstiftender Faktor bei den Teilnehmer*innen beobachtet werden konnte. Einfacher wird das Verfahren jedoch nicht, umso mehr Menschen die potenzielle Teilnehmer*innen sind. Mit Irland als Vorbild für solche Bürger*innenräte auf nationaler Ebene plant dies der Verein „Demokratie Innovation e.V.“ auch für Deutschland – ermutigt durch die oft sehr progressiven Ergebnisse der Bürger*innenräte.
Dennoch sind diese nicht das einzige Ergebnis des Zusammenkommens: Bürger*innenräte schaffen auch ein Verständnis für politische Prozesse und auch die Standpunkte der anderen Ausgelosten mit denen dann gemeinsam die Vorschläge erarbeitet werden. Essenziell jedoch, damit Bürger*innenräte – egal auf welcher politischen Ebene – funktionieren können ist eine Rückkopplung in die Politik. Reagiert diese nicht oder zu langsam auf die erarbeiteten Vorschläge, nimmt dies vielen Menschen das gefasste Vertrauen und führt zu Frustration. Um eine solche schon während des Arbeitsprozesses zu vermeiden, ist eine objektive Wissensvermittlung zu Beginn des Projekts unerlässlich.
Und um letztlich auch wirklich gut arbeiten zu können, braucht es eine gute Moderation und festgelegte Gesprächsregeln. Daneben erläuterte uns Katharina, dass auch eine Quotierung beim Losverfahren sinnvoll und notwendig ist, um etablierte Machtstrukturen aufbrechen zu können. Auch müssen für einen erfolgreichen Bürger*innenrat Themen wie beispielsweise der politische Aktionsrahmen (also schlicht die Frage, ob was die politische Ebene, der gegenüber die Vorschläge erarbeitet werden, rein rechtlich überhaupt durchsetzen kann) und auch Mög- lichkeiten, die den Gelosten die Teilnahme erleichtern wie Aufwandsentschädigungen und be- rufliche Freistellungen bedacht werden.
Nur wenn all dies bedacht wird, können Bürger*innenräte mehr sein, als ein reines Beratungsgremium. So seien weitere erklärte Ziele des Projekts in Frankfurt am Main auch die Förderung des demokratischen Bewusstseins, des politischen Interesses, des Vertrauens in die Demokratie, des Verständnisses für politische Prozesse und die Förderung von unterrepräsentierten Gruppen gewesen.
Trotz klarer Ziele und der Beachtung der Erfolgsbedingungen stoßen Bürger*innenräte auch an Herausforderungen, für die noch keine Lösungen gefunden wurden. Am häufigsten tauchte dabei im Workshop die Frage nach der Repräsentativität dieses Organs auf, eng verknüpft mit der Frage, wie man in Bürger*innenräten mit struktureller Diskriminierung und auch sprachli- chen Hindernissen umgehen könnte. Weiterhin kann der Erfolg von Bürger*innenräten durch Vorurteilen der Teilnehmer*innen ebenso beeinträchtigt werden wie auch durch mangelndes Interesse derjenigen, die letztlich die politischen Entscheidungen treffen. Wie man mit diesen Herausforderungen umgeht, wurde im Workshop zwar diskutiert, aber dennoch sind es Punkte, für die keine direkte Lösung gefunden werden konnte.
Darüber hinaus, blieben aber auch viele weitere Fragen offen, wie zum Beispiel: Wer trifft die Auswahl der Themen und Quoten der Gelosten und hat damit eine ziemlich große Entschei- dungsmacht? Wie können Wissenhierarchien bei den Teilnehmer*innen abgebaut werden? Ab welchem Alter sollen die Menschen teilnehmen? Wie kann die Vertraulichkeit der im Prozess getätigten Aussagen und Meinungen gewährleistet werden? Wie kann und soll ein gutes Ver- hältnis der Bürger*innenräte zur Parteiendemokratie aussehen?
Somit war dieser Workshop eine wunderbare Gelegenheit, einen guten Einblick in das Thema der Bürger*innenräte zu bekommen und auch um zu verstehen, was Themen sind, an denen aktuell noch gearbeitet wird und wo bereits zukunftstaugliche Lösungen gefunden wurden.