Die Diskussion über die Folgen des Klimawandels ist in den Vereinigten Staaten extrem polarisiert. Wie ist es dazu gekommen? Und was lässt sich dagegen tun?
Etwa jede*r dritte US-Bürger*in hat in diesem Sommer mindestens eine Wetterkatastrophe erlebt; 70 Prozent der Bevölkerung machen sich Sorgen mit Blick auf die Klimakrise. Nach vier Jahren Donald Trump, der die Klimapolitik quasi abgeschafft hatte, tritt Präsident Joe Biden nun mit dem bisher ambitioniertesten „Klimaprogramm“ der US-Geschichte an.
Und dennoch: Im Vergleich etwa zu Deutschland, wo ein breiter Konsens innerhalb der Gesellschaft besteht, dass der Klimawandel existiert und bekämpft werden muss, ist die Klimadebatte in den USA stark polarisiert. Während viele nach einem Green New Deal rufen, der die Klimakrise verhindern und mehr Gerechtigkeit herstellen soll, glauben große Teile der amerikanischen Bevölkerung nach wie vor nicht an den menschengemach¬ten Klimawandel. Wie lassen sich diese starren Fronten erklären? Und wie könnte eine gesellschaftliche Annäherung in der Klimapolitik gelingen?
Narrativ für Klimaleugner
Um die gegensätzlichen Positionen zum Klimawandel in der US-Bevölkerung zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit und auf die mächtigen Interessengruppen, insbesondere die zentralen Strippenzieher, die sich strategisch und mit viel Geld gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel gestellt und ein Narrativ für Klimaleugner erschaffen haben: die Republikanische Partei, die fossile Energieindustrie und private Medienkonzerne.
In einem Beitrag für die Heinrich- Böll-Stiftung vom Oktober 2019 analysiert die Historikerin Ella Müller den Wandel der Republikanischen Partei hin zu einer libertären Anti-Regulierungshaltung. Sie beschreibt die Informationskampagnen fossiler Energiekonzerne als „alternative Quelle“ zur Wissenschaft und schildert die Rolle von privaten Medien bei deren Verbreitung in den vergangenen 30 Jahren.
Ähnliche Tendenzen der Falschinformation durch Industriekonzerne und der Verweigerung von Regulierung wie in der Klimapolitik lassen sich in der Nahrungsmittelbranche erkennen. Beide Beispiele zeigen, welche Macht industrielle Lobbygruppen in den USA haben.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup vom April 2021 zufolge glauben derzeit 82 Prozent der Demokraten-Anhänger*innen, dass die Folgen des Klimawandels bereits begonnen haben. Bei den Republikanern sind es nur 29 Prozent – eine Differenz von 53 Prozentpunkten. 2001, also vor 20 Jahren, betrug der Unterschied nur 13 Prozentpunkte, 2016 waren es 37 Prozentpunkte. Die Statistik macht deutlich, dass sich die unterschiedlichen Meinungen zum Klimawandel und dessen Auswirkungen über die vergangenen beiden Jahrzehnte kontinuierlich und enorm vergrößert haben. Daraus resultiert die Polarisierung in der amerikanischen Klimadebatte.
Ein Viertel ist gegen Klimaschutz
Das Yale Program on Climate Change Communication ermittelt regelmäßig das Meinungsbild der US-Gesellschaft zum Klimawandel. Ihre Umfragen zeichnen das folgende Bild: 2015 waren 15 Prozent der Bevölkerung wegen der Klimakrise alar-miert; 2020 stieg diese Zahl auf 26 Prozent. Das zeigt, dass die Sorgen vor einer Klimakatastrophe größer werden und mehr Menschen klimapolitische Maßnahmen unterstützen. Die Gruppe hingegen, die dem Klimawandel keine Bedeutung zuschreibt, ist mit 26 Prozent im selben Zeitraum quasi unverändert geblieben. Daraus lässt sich schließen, dass ein Viertel der Amerikaner*innen konstant und trotz immer häufiger vorkommender Naturkatastrophen nicht für Klimapolitik zu gewinnen ist.
In einer Untersuchung vom Sommer 2020 hat das Pew Research Center herausgefunden, dass 65 Prozent aller Amerikaner*innen der Meinung sind, dass ihre Regierung zu wenig unternimmt, um die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Eine mehrheitliche Zustimmung für mehr Klimapolitik gibt es also. Gleichzeitig zeigt die Befragung, dass weiterhin eine starke Polarisierung in der Frage herrscht, inwieweit der Klimawandel menschengemacht ist. 72 Prozent der Demokraten vertreten die Ansicht, dass Menschen durch ihre Lebens- und Wirtschaftsform einen großen Anteil am Klimawandel haben. Bei den Republikanern sind dies nur 22 Prozent.
Eine weitere wichtige Erkenntnis der Erhebung des Pew Research Center: Bei den Demokraten spielt der Bildungsgrad bei der Frage, ob jemand an den menschengemachten Klimawandel glaubt, eine große Rolle. Menschen ohne oder mit einfachem Schulabschluss stimmen zu 58 Prozent zu, mit Hochschulabschluss liegt die Zustimmung bei 86 Prozent. Bei den Republikanern hingegen machen Bildungsunterschiede in dieser Frage quasi keinen Unterschied. Personen mit keinem oder einfachem Schulabschluss stimmen mit 21 Prozent zu, bei den Hochschulabgängern sind es 25 Prozent. Daraus lässt sich schließen, dass Klima bei Republikanern eher eine Glaubensfrage ist.
Glaubt man der erwähnten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup vom April 2021, so spielt bei den Republikanern das Alter eine wichtige Rolle. Jüngere Anhänger*innen machen sich deutlich mehr Gedanken um den Klimawandel als ältere. Bei Anhänger*innen der Demokraten dagegen spielt die Demografie hier kaum eine Rolle.
Insgesamt unterstützen 57 Prozent der amerikanischen Wählerinnen und Wähler laut einer Umfrage von Morning Consult eine der ersten Amtshandlungen Joe Bidens – den Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen. Lediglich 27 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Fossile Energieträger noch wichtig
Während die Unterstützung für bestimmte klimapolitische Maßnahmen innerhalb der amerikanischen Bevölkerung wächst, lassen sich bei der Bewertung der Ursachen des Klimawandels immer noch große Meinungsunterschiede feststellen. Und: Es sind eben nur gewisse klimapolitische Maßnahmen, die auf hohe Akzeptanz stoßen, andere sind weit weniger beliebt. Das Pflanzen von Bäumen (90 Prozent Zustimmung) und die Förderung von Industrien, die dank Carbon Capture Storage (-CCS)-Technologien versprechen, CO2-Emissionen aus der Atmosphäre ziehen zu können (84 Prozent Zustimmung), erfahren großen Zuspruch.
Die Zustimmung sinkt bei regulatorischen Maßnahmen: Können sich noch 71 Prozent der Amerikaner*innen laut Pew Research Center höhere Effizienzstandards für Fahrzeuge vorstellen, so plädiert nur ein Drittel für einen Ausstieg aus sämtlichen fossilen Energieträgern. Für die Mehrheit bleibt das ein Tabu. Die Forderung wird im Moment ausschließlich von Aktivist*innen und Klimaforscher*innen vertreten. Immerhin regt Präsident Biden in seinem Infrastrukturprogramm eine massive Kürzung von Subventionen für Fossile an und schlägt damit einen Kurswechsel ein.
Kein*e amerikanische*r Politiker*in ist bislang bereit, die heimische Förderung von fossilen Energieträgern ganz aufzugeben. Mit unterschiedlichen Nuancen wird in beiden Parteien ein Ansatz verfolgt, demzufolge die Dekarbonisierung der Wirtschaft anders funktionieren müsse. CCS gilt als Wunschlösung, diese Technologie wurde für förderungswürdig erklärt. Mit dem Unterschied, dass die Demokraten bereit sind, weitaus höhere staatliche Summen in die Erforschung und Entwicklung dieser Technologie zu stecken. Die Republikanische Partei setzt eher auf Steuererleichterungen für die Industrie und erhofft sich im Gegenzug von ihr die notwendigen Investitionen.
Wenn dagegen nach dem zukünftigen Ausbau von Energieträgern gefragt wird, zeigt sich, dass große Teile der Bevölkerung erneuerbaren Energien positiv gegenüberstehen – 90 Prozent aller Amerikaner*innen sprechen sich für mehr Solarparks aus und 83 Prozent für den Ausbau von Windkraft, wie das Pew Research Center im Juni 2020 herausfand.
Suche nach politischer Einigung
Joe Bidens Regierung scheint diese Umfragewerte genau studiert zu haben und verfolgt einen Ansatz starker Förderung von grünen Technologien wie E-Mobilität, Batterietechnik und Erneuerbaren. Regulierung und höhere Emissionsstandards spielen eine untergeordnete Rolle in seinem Klimaprogramm.
Die finanzielle Förderung der ökologischen Transformation hat Biden geschickt mit seinem American Jobs Plan und dem Aufbau einer zukunftsfähigen Wirtschaft verwoben. Der Schwerpunkt liegt auf Investitionen in Infrastruktur. Darin enthalten sind aber auch massive Fördersummen für erneuerbare Energien, Batterietechnologie und Ladesäulen für Elektroautos. Strategisch klug ist die Einbindung von Gewerkschaften in die klimapolitische Debatte. Er nimmt ihre Bedenken ernst und gibt ihnen eine aktive Rolle. Damit macht Biden sie zu Alliierten seiner Klimapolitik. Dies ist erkennbar ein Strategiewechsel etwa im Vergleich zu Barack Obama.
Anlässlich der derzeit zahlreichen Naturkatastrophen zeigt sich bei Maßnahmen und Finanzierung von Wiederaufbau und Klimaresilienz steigende Übereinstimmung zwischen den beiden Parteien. So forderte Louisianas Senator Bill Cassidy seine republikanischen Parteikolleg*innen kürzlich auf, Bidens Infrastrukturprogramm zu unterstützen. Dieser Meinungswandel wurde ausgelöst durch Hurrikan Ida, der weite Teile von Cassidys Bundesstaat verwüstete.
Dieser Trend lässt allerdings die Sorge wachsen, dass die USA künftig stets mehr in Adaptation (Anpassung an den Klimawandel) statt in Mitigation (dessen Vermeidung) investieren werden. Eine Mehrheit für ambitionierte Reduktionsziele zu gewinnen, scheint nach wie vor schwer. Zudem besteht die Gefahr, dass bei weiter wechselnden Regierungen mit konträren Klimaansichten keine langfristige Strategie möglich ist und kein zielstrebiger Klimakurs gefahren wird.
Um einen gesellschaftlichen Konsens zumindest in der grundsätzlichen Anerkennung des Klimawandels zu erreichen, bedarf es vor allem der Bildung in diesem Bereich. Wenn breite Teile der Bevölkerung Zugang zu Wissen hätten, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, und ein Dialog zu Lösungsmodellen und nachhaltigen Lebensformen stattfinden würde, könnte das Interesse an und die Nachfrage nach Klimapolitik steigen. In einem System, in dem gute Bildung viel Geld kostet und vor allem Minderheiten diskriminiert werden, ist das nicht einfach. Zudem gilt es, den Falschinformationen entgegenzuwirken, die vor allem durch die fossile Industrie mit viel Geld verbreitet werden.
Ein landesweites Projekt wie eine Energiewende könnte Menschen mobilisieren, eine aktive Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels einzunehmen und das notwendige technische Wissen zu erlernen. Und die Erfahrung zu machen, dass Alternativen zu den Konzepten etablierter Konzerne geschaffen werden können. Zudem bräuchte es bei den Republikanern wieder Vertreter*innen, die sich für eine konservative, wirtschafts- und technologiepolitisch geprägte Klimapolitik stark machen. Wenn es eine solche konservative Klimapolitik gäbe, wäre mehr Raum für klimapolitische Kompromisse – und der Stillstand im Kongress könnte überwunden werden.
Nora Löhle ist Leiterin des Programms Energie- und Umweltpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, DC.
Dieser Artikel wurde am 1. November 2021 im Magazin „Internationale Politik“ (Ausgabe Special #6/2021) erstveröffentlicht.