Jahrestagung Rechtsstaatlichkeit in Europa | Das Fundament der Demokratie unter Druck

Pressemitteilung

Stuttgart, 30. März 2022

Jahrestagung der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg

09. April 2022, 11.00 bis 18.00 Uhr im Hospitalhof Stuttgart

Rechtsstaatlichkeit in Europa | Das Fundament der Demokratie unter Druck

In zahlreichen Ländern der Europäischen Union steht der Rechtsstaat unter Druck. Dabei unterscheidet sich das Maß der Erosion der Rechtsstaatlichkeit erheblich. In einigen Mitgliedsstaaten greifen tendenziell autoritäre Regierungen massiv in die Unabhängigkeit der Justiz ein und bringen so mit der Gewaltenteilung ein zentrales demokratisches Prinzip in Gefahr. Andernorts sind es Phänomene wie Korruption und politische Einflussnahme, die die Rechtsstaatlichkeit gefährden.

"In Zeiten des Krieges, wenn ein europäischer Staat einen anderen europäischen Staat mit Waffengewalt angreift, scheint es so, als gäbe es Wichtigeres als sich mit gegen Richterinnen und Richter gerichteten Disziplinarverfahren auseinanderzusetzen, und dies auch dann, wenn deren Vergehen nur darin besteht, europäisches Recht angewendet zu haben. Aber Rechtsstaatlichkeit darf auch in Krisenzeiten nicht vernachlässigt werden. In einer Staatengemeinschaft, die nach außen für ihre Werte eintritt, muss auch nach innen gewährleistet sein, dass über diese Werte Einigkeit besteht“, sagt Prof.in. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Angelika Nußberger M.A., die wir für die Keynote Herausforderungen für den Rechtsstaat in Deutschland und Europa gewinnen konnten und im Anschluss mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras über diesen Themenkomplex sprechen wird.

„Auch in nicht-autokratischen Staaten wie Deutschland birgt das Verhältnis von EU-Recht und nationalem Verfassungsrecht Herausforderungen. Deutlich wurde dies etwa, als im Mai 2020 das Bundesverfassungsgericht in seinem EZB-Beschluss ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für kompetenzwidrig ("ultra vires") erklärte und die EU-Kommission daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete“, meint Dr. Christian Rath, der das Forum Herausforderungen für den Rechtsstaat in Deutschland leiten wird.

Auf internationaler Ebene blicken wir nach Ungarn, Polen und in die Tschechische Republik/Slowakei.

Prof.in Dr. Ellen Bos, die sowohl das Forum Herausforderungen für den Rechtsstaat in Ungarn leiten als auch Teilnehmerin beim Anschlusspanel sein wird, betont: „Da es ausgeschlossen erscheint, dass das aus sechs Parteien bestehenden Oppositionsbündnis bei einem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen am 3. April eine Zweidrittelmehrheit erreichen kann, wird die Frage diskutiert, wie dennoch das System Orbán wieder abgebaut werden könnte. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob und auf welchem Weg auch ohne verfassungsändernde Mehrheit das im Jahr 2011 verabschiedete Grundgesetz auf rechtsstaatliche Weise durch eine neue Verfassung ersetzt werden könnte.“

Den Blick auf Polen richtet Bartosz T. Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der Gazeta Wyborcza und ehemaliger Korrespondent in Deutschland: „Die Rechtsstaatlichkeit in Polen ist von den Regierenden fast vollständig zerstört worden. Sie muss restauriert werden, was angesichts des Ausmaßes der Schäden nicht einfach sein wird. Die Frage ist, ob die Europäische Union und die USA in der Lage sein werden, in dieser Angelegenheit wirksamen Druck auf die polnische Regierung auszuüben.“

Adéla Jurečková, die Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag, weiß, dass „in Tschechien und der Slowakei die Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich gegeben ist, was sie im Kern von ihren Visegrád-Bündnisfreunden Polen und Ungarn unterscheidet. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rechtsstaat nicht an einigen Stellen schwach oder brüchig ist - so wie in vielen anderen Ländern innerhalb und außerhalb Europas auch. Diesen Stellen sollte man besondere Beachtung schenken, um eben nicht auf den polnischen oder ungarischen Pfad zu kommen. Die Zivilgesellschaft ist sich dieser Gefahr durchaus bewusst.“

In unserem Abschlusspanel diskutieren wir die entscheidende Frage: Was muss die EU tun, um dieser Krise der Rechtsstaatlichkeit in Europa zu begegnen? mit Prof. Dr. Ellen Bos, Bartosz T. Wieliński und Daniel Freund, MEP, Die Grünen/EFA. Er betont in aller Deutlichkeit: "Wir dulden keine autoritären Tendenzen in der EU! Kommissionspräsidentin von der Leyen muss entschieden gegen jene vorgehen, die den Rechtsstaat in Europa mit Füßen treten!"

 


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