Anselm Laube eröffnet die Jahrestagung 2023 und stellt Sabine Drewes vor.
Begrüßung | Anselm Laube, Vorstand Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg - Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
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Begrüßung
Herzlich willkommen auf der Jahrestagung der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
Die Heinrich Böll Stiftung ist die grüne politische Stiftung in Baden-Württemberg. Parteinah, aber unabhängig. Mit unserer Bildungsarbeit möchten wir die politische Willensbildung der Menschen in Baden-Württemberg fördern und sie zur gesellschaftlichen Teilhabe ermutigen. Dafür öffnen wir Räume für aktuelle gesellschaftspolitische Debatten. Im Rahmen unserer Jahrestagung widmen wir uns großen Gesellschaftlichen Fragestellungen, zum Austausch und Erkenntnisgewinn, aber auch zur Reibung und Transparenz. Ja, wir wollen heute Abend schlauer dieses Haus wieder verlassen, als wir gerade reingekommen sind. Böll ist Namensgeber der Stiftung, als großer Literat, der aber insbesondere als Vorbild mit Haltung und Rückgrat immer auch auf die gesellschaftliche Intervention als Notwendigkeit bestanden: „Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben“ Warum Wärmewende? Die Energiewende im Gebäudebereich ist ein Stiefkind der Klimapolitik. Und diejenigen, die sich in den letzten Jahren damit befasst haben, sind häufig von einer technischen, nicht von einer politischen Dimension ausgegangen. Doch anders als die Energiewende im Sektor Elektrizität können wir nicht in Neustadt das ausgleichen, was in Altstadt fehlt. Die Umsetzungslücke der Stadt nicht einfach auf dem Land kompensieren – wir müssen überall handeln. Die Wärmewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss daher dringend als solche wahrgenommen werden. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass es ein kolossaler Fehler war, sich dabei auf ein „es wird schon nichts schief gehen“ zu verlassen. Die letzten Bundesregierungen haben es in fataler Weise unterlassen, das Thema zu setzen. Schlimmer, es wurden massive Fehlanreize gesetzt. Bis vor drei Jahren wurden neue Öl- und Gasheizungen gefördert, bis zum Sommer 2022 auch noch die Gasheizung in einem neuen hybriden System. Eine Verschärfung energetischer Standards wurde bewusst unterlassen. Ich frage mich da schon, wann dieser Skandal politisch aufgearbeitet wird. Der Wärmewende hat die Politik gefehlt.
Wir sind heute hier, um diese Aufgabe zu eskalieren. Dabei werden wir uns nicht auf den bisherigen, vermeintlichen Lösungen ausruhen:
• Ein energieeffizienter Neubau löst nicht die Probleme im Bestand
• Kraft-Wärme-Kopplung ist zwar effizient, aber mit Erdgas nicht erneuerbar
• Wasserstoff als universeller Heilsbringer wird scheitern, denn die Wärmeversorgung muss bezahlbar bleiben
Der Politik fehlen manchmal die technischen Grundlagen. Das hat sich vor
einem Jahr im Bundeswirtschaftsministerium geändert. Robert Habeck hat
nicht nur klar gemacht, dass er die Wärmewende ernst meint, er und sein
Team haben die technischen und volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten
verstanden und können sie kommunizieren.
Ein paar Details
• Der Umbau der Förderlandschaft wurde vorangetrieben, die Förderung von Neubau und fossilen Energiesystemen eingeschränkt
• Die kommunale Wärmeplanung, mit der kommunale Akteure eine klare
Perspektive auf die Wärmeversorgung der Gebäude erhalten, in
Baden-Württemberg bereits seit einigen Jahren erprobt, wird bundesweit
verpflichtend
• Bei der Heiztechnik gibt es einen klaren Fokus auf Wärmepumpen und
Wärmenetze, alle weiteren Heizungstechnologien werden jetzt als das
gesehen, was sie sind: Nischenlösungen
• Energieeffizienz und der Einsatz erneuerbarer Energien wird nicht mehr
gegeneinander ausgespielt, sondern zusammengedacht.
Die Wärmewende wird allerdings nur funktionieren, wenn wir die
Gesellschaft mitnehmen, die wirtschaftliche und soziale Ebene mitdenken und die Menschen beteiligen.
Drei Thesen
• Die Wärmewende ist machbar
• Die Wärmewende ist bezahlbar
• Und die Wärmewende bringt unerwartete Chancen. Planungssicherheit und Komplexitätsreduzierung tun uns doch gerade allen gut.
Ein paar persönliche Worte noch zum Abschluss: Die unsägliche Hetze des Boulevards gegen Robert Habeck in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der 65 % Erneuerbare Energien-Regelung für neue Heizungen erinnert an Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Wärmewende ist offensichtlich keine technische, sondern gesellschaftliche Aufgabe. Wer sie ernst nimmt, stellt die Machtfrage. Wichtig, diesen kommenden Machtkampf nicht zu unterschätzen. Jetzt erst recht: Wir gestalten die Wärmewende, sonst werden wir gestaltet Ich freue mich auf den Austausch und die vielfältigen Gedanken und Ideen, die hier heute Raum finden.