Wir befinden uns am Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), das sich heute mit internationaler Kultur- und Bildungszusammenarbeit beschäftigt. Gegründet wurde es 1917 von Theodor Wanner als "Deutsches Auslandsinstitut" (DAI) "zur Kunde des Auslanddeutschtums" und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland. Das Institut war dafür zuständig, den Kontakt zu Auslandsdeutschen aufrechtzuhalten, zum Beispiel durch Zeitungen.
Obwohl Deutschland zu dieser Zeit seine Kolonien bereits verloren hatte, waren viele Mitglieder als ehemalige Kolonialbeamt:innen oder Kolonialexpert:innen eng mit dem Thema verwoben. Dazu gehörte unter anderem der Vorsitzende Theodor Wanner. Zudem war das DAI maßgeblich an der Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda beteiligt. Zu den NS-Ideologien, die propagiert wurden, zählten rassistische und koloniale Vorstellungen.
Zur Rolle von Missionen
Zu den sogenannten Auslandsdeutschen zählten auch Missionar:innen, die seit dem 16. Jahrhundert nach Amerika und Asien und insbesondere im 19. Jahrhundert nach Afrika entsandt wurden. Die Missionen profitierten durch die Vernetzung und den Austausch von Informationen und Erfahrungen, die das Deutsche Auslandsinstitut ermöglichte. Dazu gehörte auch die Basler Mission, die Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet wurde und viele Mitglieder aus dem Raum Südwestdeutschland hatte.
Missionen und Kolonien waren eng miteinander verknüpft und Kolonialist:innen profitierten teilweise von den Strukturen, die Missionar:innen bereits angefertigt hatten. In Deutsch-Südafrika, dem heutigen Namibia, wurde dem deutschen Kolonialregime das Vordringen beispielsweise durch vorhandene Missionsstationen erleichtert. Obwohl manche Missionen sich für einen "humaneren Kolonialismus" einsetzten, handelte es sich nicht um einen Dialog auf Augenhöhe mit der einheimischen Bevölkerung, sondern um ein ungleiches Machtverhältnis.
Im folgenden Video spricht Mia Paulus vom Lernort Geschichte über die Arbeit von Missionen.
Kaiser Wilhelm der Erste
Wenige Meter neben dem Institut für Auslandsbeziehungen liegt der Karlsplatz, in dessen Mitte eine Reiterstatue von Kaiser Wilhelm dem Ersten steht. Er war von 1871 bis 1888 der erste Kaiser des deutschen Kaiserreichs und gilt als Wegbereiter der deutschen Kolonialpolitik. Unter seiner Herrschaft ist ein Großteil des deutschen Kolonialbesitzes erworben worden. Die Stadt Stuttgart möchte die Statue kontextualisieren, ein Rückbau ist bisher nicht geplant.
Beim Katholikentag 2022 wurde die Statue vom Kunstkollektiv "ReCollect" rot verhüllt. Mehr über die Protestaktion und die Reaktionen kannst du in diesem Artikel des SWR nachlesen.
Dieser Artikel ist Teil des digitalen Spaziergangs "Spuren des Kolonialismus in Stuttgart" - ein Praktikumsprojekt von Anna Rankl.