Diversity in Tech wird häufig immer noch als Nice-to-have im Rahmen von Unternehmensprofilierung betrachtet. Was dabei oftmals vergessen wird: Mehr Teilhabe von unterrepräsentierten Gruppen fördert Innovation und Wirtschaft.
In Ihrem Vortrag erzählt Mina Saidze, warum Diversity in Tech essentiell für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist.
Mina Saidze ist die mehrfach ausgezeichnete Gründerin von Inclusive Tech, europaweit die erste Beratungsorganisation für Diversität und Inklusion in Tech.
Annette Goerlich: Dann möchte ich alle ganz herzlich willkommen heißen bei unserer Online-Veranstaltung heute, „Warum Diversity in Tech kein Nice-to-have ist“, mit Mina Saidze.
Ich bin Annette Goerlich von der Heinrich Böll Stiftung, der grünen politischen Stiftung. Und ich bin nicht alleine da, heute wirkt hinter den Kulissen meine Kollegin Sabine Demsar, auf sie ist die Initiative zu dieser Veranstaltung zurückgegangen. Sabine, vielen Dank auch dafür.
Als grüne politische Stiftung setzen wir uns sowohl mit Digitalisierung wie auch mit gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe auseinander. Vor kurzem zum Beispiel ging es bei einer unserer Veranstaltungen darum, weshalb es so wichtig ist, Algorithmen transparent zu machen und zu demokratisieren. Und heute geht es um Diversity in Tech, was noch immer gerne als Zierde für das Profil von einem Unternehmen betrachtet wird. Dem widerspricht Mina, sie behauptet, mehr Teilhabe von unterrepräsentierten Gruppen fördert Innovation und Wirtschaft. Und nun zu dir, Mina. Wir freuen uns wirklich sehr, dass du heute bei uns bist.
Mina Saidze: Herzlichen Dank für die Einladung, Annette, als auch Sabine. Ich freue mich wahnsinnig, heute dabei sein zu dürfen, da ich auch selbst Alumna der Heinrich Böll Stiftung bin und sehr positiv an die Zeit zurückdenke. Ich freue mich, bei einer grünen Stiftung anwesend zu sein und dass ihr euch solch einem wichtigen Thema widmet. Und ich hoffe, dass wir im Verlaufe des Abends auch die Zuschauerinnen und Zuschauer davon überzeugen können, dass Diversity in Tech eben nicht die Kirsche auf der Schwarzwälder Kirschtorte ist, sondern im Gegenteil, der Tortenboden und das Fundament. Das ist die Absicht, die ich heute mit euch verfolge.
Annette Goerlich: Ja, Mina, du bist, wenn man so sagen darf, die Frontfrau von Vielfalt in Tech. Du bist die Gründerin von Inclusive Tech und dafür mehrmals ausgezeichnet worden. Kein Wunder, denn Inclusive Tech ist die erste Beratungsorganisation für Diversität und Inklusion in Tech. Außerdem lehrst du Data Analytics an der Hamburg Media School und bist als Spiegel Fellowship Mentorin für Ethik in der Künstlichen Intelligenz (KI) zuständig. Aber das war dir nicht in die Wiege gelegt. Fangen wir also von vorne an, ich mache es kurz. Du wurdest 1993 in Hamburg geboren, als Tochter von politischen Aktivisten aus Afghanistan, die das Land verlassen mussten. Du bist die erste Frau in deiner Familie, die den Universitätsabschluss hat. Und jetzt? Heute lehrst du selbst als Universitätsdozentin. Kompliment! Du warst aber nicht schmalspur-mäßig auf dem Karrieretrip. Denn nach dem Abitur hast du ein freiwilliges Jahr in einer Lobbyorganisation für erneuerbare Energien in Tansania absolviert. Dann hast du Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität in Berlin studiert und ziemlich schnell zur Volkswirtschaftslehre gewechselt, weil du Spaß hattest an Statistik. Und du warst Stipendiatin der Böll Stiftung und hast als Medien-Trainee Stationen absolviert bei der Deutschen Welle, Radio Bremen, der TAZ, das heißt, so bist du dann zum Journalismus gekommen. Aber damit nicht genug, dann hast du dir noch selbst das Programmieren beigebracht und dich spezialisiert in Big Data Analytics. Und so hast du mit viel Disziplin und Leidenschaft den Quereinstieg in die Tech-Branche gemacht und hast als Data Analyst für führende Medienunternehmen gearbeitet, wie die Welt, die Funke Mediengruppe, oder E-Commerce Unternehmen wie Idealo und Crealytics. Von der Bertelsmann Stiftung bist du als Algorithmus-Expertin im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet worden. Und heute lebst du in Berlin.
Ich weiß nicht, womit du anfangen wolltest, aber ich habe die brennende Frage: Wenn du von Inclusive Tech sprichst, welche Tech ist denn da überhaupt gemeint?
Mina Saidze: Mit Technologie bezeichnen wir alle Anwendungen als auch Services und Geschäftsmodelle, die entwickelt worden und auch Daten getrieben sind und die auch Algorithmen verwenden.
Also kurz zu der Historie der Organisation, es ist so, dass wir früher mal „European Women and Data“ hießen, aber schnell festgestellt haben, dass sich viele junge Menschen mit dem Begriff des Europäers oder der Europäerin nicht identifizieren können und gleichzeitig „Women in Data“ auch sehr spezifisch und nicht intersektional gedacht ist und wir dann im Verlauf der Zeit gemerkt haben, dass es einen größeren Bedarf dafür gibt, das Thema systematisch zu betrachten. Und so sind wir zu „Inclusive Tech“ gekommen, einfach aufgrund dessen, dass Diversität der erste Schritt ist. Aber damit ist die Arbeit noch nicht getan, sondern Inklusion ist viel wichtiger, dass ich mich eben auch willkommen fühle in einem Umfeld wie zum Beispiel der Tech-Industrie.
Annette Goerlich: Ja, danke für diese Klarstellung. Dann lade ich dich doch herzlich ein, uns jetzt mitzunehmen auf die Reise.
Mina Saidze: Der Titel der heutigen Veranstaltung lautet „Warum Diversity in Tech kein Nice-to-have ist“. Denn häufig, wenn ich mit Unternehmen rede, höre ich folgenden Satz: „Ich hätte gerne mehr Frauen in meinem Team, aber finde keine“, beispielsweise von Rüdiger Scholz, 43, IT-Abteilungsleiter eines Unternehmens. In diesem Kontext hören wir das immer wieder, deshalb stellt sich uns die Frage: Finden die Unternehmen keine Frauen, weil sie nicht genug Arbeit investieren? Oder ist es einfach Fakt, dass es zu wenige Frauen gibt im Bereich von Tech, Big Data und künstlicher Intelligenz? Wenn wir uns die Statistiken anschauen, sehen wir, dass der Frauenanteil in den Berufen von Big Data und künstlicher Intelligenz weltweit bei 32 % liegt, laut des World Economic Forum Global Gender Gap Reports aus dem Jahr 2021. Und wenn man das herunterbricht auf Europa, als auch Deutschland, liegen wir noch ein Stück weit darunter, es existiert ein sogenannter Gender Gap in diesen Berufsbereichen. Deswegen hat Rüdiger, unsere fiktive Person, auch recht mit der Aussage, dass es schwer ist, Frauen oder auch andere Menschen für diesen Berufszweig zu gewinnen, weil deren Anteil sehr gering ist. Dahingehend gibt es eine Vielfalt von Organisations- und Verbandskulturen, die sich genau mit der Förderung von Frauen in Tech-Berufen beschäftigen, hier habe ich ein paar Beispiele herausgepickt: es gibt Women in Data, Women in Big Data, Women in Artificial Intelligence and Robotics, Women in Tech und auch Women in Technology. Wir stellen fest, dass die Begrifflichkeiten recht ähnlich zueinander sind und sich dann auch die Frage stellt, wie sich diese ganzen Organisationen überhaupt voneinander unterscheiden. Das ist eine ziemlich gute Frage, denn wir sehen, dass es ganz viele dieser Women in Tech Organisationen gibt, die auch ihre Daseinsberechtigung haben, weil sie eben auch einen Safe Space bieten für Frauen in der Branche. Aber gleichzeitig sind es auch Silos, die teilweise nicht miteinander kooperieren oder mehr oder weniger dasselbe machen und dann parallel dieselbe Arbeit getätigt wird und der Ansatz recht eindimensional gedacht ist. Warum? Weil wir uns eben nur auf Frauen beschränken. Und wenn wir in Deutschland von Diversity in Tech sprechen in diesem Kontext, dann ist häufig Gender Diversity gemeint. Das ist aber eben nur eine Dimension der Diversität. Allerdings ist auch Intersektionalität in der Debatte von Diversity in Tech gefragt. Das bedeutet, dass wir mehrere Diskriminierungs-Dimensionen mitdenken müssen. Und das ist eben nicht nur das Geschlecht, das betrifft genauso die ethnische Herkunft, aber auch Merkmale, die optisch nicht sofort erkennbar sind, dazu gehören zum Beispiel die soziale Herkunft oder auch die sexuelle Orientierung. Denn wenn wir Intersektionalität nicht mitdenken, kann das Konsequenzen haben. Wir wissen, dass Technologie niemals neutral ist. Häufig ist das Narrativ in den Köpfen der Menschen vorhanden, dass wir mithilfe von Technologie endlich in der Lage sind, rationale Entscheidungen zu treffen und damit sogar Diskriminierung bekämpfen können. Warum? Weil eine Maschine rational, logisch, neutral ist. Allerdings werden Technologien am Ende des Tages auch von Menschen entwickelt und Menschen besitzen Vorurteile oder eine Voreingenommenheit. Das führt eben auch dazu, dass Technologie dementsprechend nicht neutral sein kann, weil wir Menschen auch nicht neutral sind. Denken wir mal an das Beispiel der Gesichtserkennungssoftware: wir wissen, dass viele Unternehmen sehr viel Geld in den vergangenen Jahren in den Bereich investiert haben, auch bis heute noch, dazu gehören große Tech-Konzerne wie IBM, Microsoft und Amazon. Und diese Gesichtserkennungssoftware wurde unter anderem dafür entwickelt, dass man sie zum Beispiel zur Nutzung bei der Grenzkontrolle verwendet, aber auch im Bereich von Sicherheits- und Militär-Diensten. Und was man festgestellt hat, ist, dass die Gesichtserkennungssoftware eine recht hohe Fehlerrate haben kann und Menschen, die „anders“ aussehen, also die einer ethnischen Gruppierung wie zum Beispiel der asiatischen oder auch der afroamerikanischen Community angehören, schlechter erkannt werden und sogar falsch eingeordnet werden können. Das hat zum Beispiel aufgrund des Klimas in den USA im Kontext von „Black Lives Matter“ dazu geführt, dass die Konzerne auf öffentlichen Druck hin ihre Produkte zurückgezogen haben. Das hat auf deren Seite erstens zu einem Imageschaden immensen Ausmaßes geführt, dass sie eben diskriminierende Technologien auf den Markt gebracht haben, aber zweitens hat es auch dazu geführt, dass Umsatzeinbußen entstanden sind, im Wert von mehreren Millionen Dollar. Das ist etwas, das hätte vermieden werden können, hätte man sich auch Gedanken zu Diversity in Tech gemacht.
Ein anderer Aspekt ist auch, dass Diversity in Tech eben nicht nur zu besseren Produkten führen kann, sondern auch unsere Volkswirtschaft fördert. Seit der Corona-Krise haben wir einen historischen Schuldenstand als Bundesrepublik Deutschland und es musste tief in die Staatskasse gegriffen werden, damit wir unsere Volkswirtschaft aufrechterhalten können. Und gleichzeitig wissen wir auch, dass wir in Deutschland in der Digitalisierung hinterherhinken. Beispielsweise können 80 % der Unternehmen ihre Projekte teilweise nicht umsetzen, weil sie keine Fachkräfte für den KI-Bereich haben, einer IDC-Studie aus dem Jahr 2018 zufolge. Das ist fatal. Denn wenn ich als Unternehmen nicht in der Lage bin, diese Projekte umzusetzen, bedeutet es entweder, dass ich Arbeitsplätze outsourcen muss, oder aber, dass ich mir Externe reinholen muss, was beides mit Geld und Aufwand verbunden ist. Besser wäre es natürlich, wenn die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entsprechend durch ein Angebot abgedeckt wird. Das bedeutet, dass wir eben diese Fachkräfte besitzen und dementsprechend auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Daher macht es auch volkswirtschaftlich Sinn, dass man Menschen und insbesondere Frauen und auch andere unterrepräsentierte Gruppen dabei fördert, Fuß in diesem Bereich zu fassen, weil das eben auch unsere Staatskasse zum Klingeln bringt.
Jetzt stellt sich die Frage, was die Wirtschaft tun kann, die Politik, und auch die Gesellschaft.
In der Wirtschaft beobachten wir noch, dass Diversity immer angepriesen wird, aber wenn es dann um die Frage der Inklusion geht, ob ich mich auch zugehörig fühle innerhalb einer Organisation und nicht nur repräsentiert, dann sehen wir hier noch eine hohe Diskrepanz. Laut einer aktuellen Studie von Capgemini sagen 19 % der Frauen und ethnischen Minderheiten, die im Tech-Sektor tätig sind, dass sie das Gefühl haben, dass ihnen nicht alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich in ihrer Karriere weiterzuentwickeln, im Vergleich zu 85 % der Manager und Managerinnen, die eben der Mehrheit angehören. Hier beobachten wir einfach diese frappierende Diskrepanz, dass sich diese unterrepräsentierten Gruppen nicht zugehörig fühlen und dann im Laufe der Karriere sogar aus dem Tech-Bereich aussteigen, durchschnittlich nach fünf Jahren, um dann in eine andere Rolle zu transferieren, die weniger Tech-lastig ist. Das bedeutet, dass wir ab dem Moment weniger Talente haben und der Funnel insgesamt kleiner wird und das können wir uns nicht leisten, dass wir diese Talente im Tech-Bereich verlieren. Dementsprechend müssen Unternehmen darauf reagieren, indem sie die entsprechenden Angebote anbieten, wie zum Beispiel entweder durch Mentoring Programme, als auch dadurch, Zahlen transparent zu machen, wie es um die Diversität innerhalb der Organisation steht und um langfristige strukturelle Änderungen im Umfeld zu tätigen.
Der zweite Aspekt betrifft die Entwicklung von datengetriebenen Technologien, hier spielt Artificial Intelligence (AI) Governance eine wichtige Rolle. Wenn wir in Unternehmen reingehen, dann beschäftigen sich viele mit der Frage von Data Governance, wie Daten sichergestellt, gewartet werden können, wie Qualitätskontrollen abgesichert werden können und weitere ähnliche Aspekte. Aber neben Data Governance gibt es auch AI Governance und bei AI Governance geht es vor allem um die Frage von Künstlicher Intelligenz. Bei der künstlichen Intelligenz ist es so, dass das miteinander zusammenhängt: häufig hören wir in den Medien von diskriminierenden Algorithmen, allerdings sind die Algorithmen nicht per se diskriminierend, sondern eher die Daten, die zur Grundlage dessen dienen, damit ein Algorithmus lernt und dadurch in der Lage ist, automatisiert Entscheidungen treffen zu können. Daten wiederum sind ein Abbild unserer Gesellschaft, die historische als auch aktuelle Diskriminierungen enthalten können, dementsprechend geht beides miteinander d'accord. Wenn wir uns die Privatwirtschaft und die Unternehmen anschauen, dann wird häufig von Data Governance gesprochen, allerdings befindet sich AI Governance immer noch im Hintergrund. Aber wenn man beides miteinander kombiniert, dann sind wir auch besser in der Lage, faire künstliche Intelligenz zu entwickeln.
Zu AI Governance gehören folgende Aspekte: Performance, Sicherheit, Privatsphäre als auch Transparenz. Bei der Performance geht es darum, wie akkurat das Modell ist, das Machine Learning-Modell, das entwickelt wird, welche Arten von Bias das Modell enthalten kann und auch, ob die Daten, die der Grundlage dienen, vollständig sind. Bei der Sicherheit geht es darum, ob das Modell wirklich adaptiert werden kann und robust ist. Bei der Privatsphäre geht es um Datenschutz, darum, wie IP-Adressen befasst werden und welche Nutzer betroffen sind, deren Daten wir analysieren und auch sammeln. Und dann haben wir noch die Transparenz, bei der Transparenz geht es um die Erklärbarkeit von Algorithmen und dass es nachvollziehbar ist, entlang der Produktentwicklung, und auch welche Absicht damit insgesamt verfolgt wird. AI Governance, sowie auch die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfeldes, das sind zwei essenzielle Punkte, die die Wirtschaft bewerkstelligen kann.
Und was kann die Politik eigentlich tun? Die Politik kann recht viel tun. Dazu gehört zum einen der Bereich der Bildungspolitik. Deutschland geht schon in die richtige Richtung, wenn es darum geht. Im Februar 2021 wurde beschlossen, dass insgesamt 133 Millionen Euro für die Förderung an Hochschulen ausgegeben wird, für die nächsten vier Jahre. Das ist eine sehr erfreuliche Nachricht, denn das bedeutet, dass die Studierenden über Künstliche Intelligenz lernen und sowohl in der Lage sind, den Diskurs zu verfolgen, als auch perspektivisch mitgestalten zu können. Allerdings sollten wir nicht nur an den Universitäten ansetzen, sondern schon viel, viel früher, und zwar ab der dritten Schulklasse, indem man das Schulfach Datenkunde einführt. Das ist eine Forderung des KI-Bundesverbandes und es ist auch eine Forderung, die wir unterstützen. Denn wir haben zum einen die Informatik, die als Schulfach gelehrt wird, aber bei Datenkunde geht es noch um viel mehr, da geht es wirklich darum, ein Verständnis für die tagtägliche Nutzung von datengetriebener Technologie zu haben und in der Lage zu sein, Daten analysieren zu können. Wie zum Beispiel im Mathematikunterricht, wo ich eben nicht nur auf einem Blatt Papier schreibe, sondern auch in der Lage bin, Statistik-Tools zu verwenden. Das nächste ist, dass für alle Studiengänge Datenanalyse als Pflichtmodul eingeführt werden könnte, heutzutage ist die Datenanalyse eine der wichtigsten Kernkompetenzen des 21. Jahrhunderts. Denn egal in welchem Berufsbereich ich tätig bin, auch wenn ich nicht Data Analyst bin, ist die Datenanalyse etwas, das sehr nützlich sein kann. Wenn ich beispielsweise im Personalwesen arbeite und mir dann die Frage stelle, ob unser Unternehmen wirklich die richtige Umgebung anbietet, dann würde ich mir zum Beispiel anschauen, wie lange wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchschnittlich halten oder auch welche Personengruppen befördert werden, versus welche nicht und auch wo unsere Belegschaft insgesamt herkommt. Das kann ich alles mithilfe von Daten beantworten, visualisieren und ein Dashboard gestalten. Dieser Bereich nennt sich beispielsweise People Analytics, wo es wirklich darum geht, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser zu verstehen. Genauso bei Journalisten und Journalistinnen, da geht es ja auch darum, zu verstehen, welche Artikel gut performen, welche Rubriken interessant sind und ob ich häufig wiederkehrende Leser habe oder Leser, die nur ab und zu auftauchen, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, welchen Content wir bieten sollten, aber auch, wie ich Lesern insgesamt ein interessantes Angebot anbieten kann. Und deswegen sehen wir, dass Datenanalyse an sich eine unheimlich wichtige Fähigkeit ist, egal ob ich HR-Spezialistin bin oder Journalistin.
Das Weitere ist auch, dass wir uns mehr mit der Frage der Ethik befassen, auch von der künstlichen Intelligenz. Denn die Frage, wie wir Gerechtigkeit überhaupt mathematisch übersetzen können und in ein Machine Learning-Modell integrieren können, ist immer noch nicht vollständig beantwortet. Allein wenn wir uns mit dem Begriff von Fairness beschäftigen, dann gibt es innerhalb der Forschung bis zu 25 Definition, was Fairness eigentlich bedeutet. Die Ethik und Philosophie haben sich schon jahrhundertelang mit solchen Begrifflichkeiten auseinandergesetzt und die Community von KI-Forscher:innen kann eben genau davon profitieren. Und um da eine Interdisziplinarität zu schaffen und auch ein Bewusstsein für die Menschen, die eben diesen technischen Berufen nachgehen, ist KI-Ethik als Pflichtmodul wahnsinnig wichtig.
Ein weiterer Aspekt ist natürlich auch die Arbeitsmarktpolitik. Jeder fünfte Beschäftigte kann durch den technologischen Fortschritt seinen Job verlieren, wobei Frauen davon stärker betroffen sind. Das ist eine Aussage aus dem McKinsey Global Institute Report aus dem Jahr 2019 und das ist sehr besorgniserregend. Dementsprechend ist Arbeitsmarktpolitik ein ganz wichtiger Aspekt. Aktuell ist es so, dass die Agentur für Arbeit und das Jobcenter die Kosten für die Umschulung zum Data Scientist übernehmen. Was wir uns wünschen ist natürlich auch, dass es gezielte Programme gibt, insbesondere zur Förderung von Frauen und bei BIPoCs (Black, Indigenous, People of Color), um technische Berufe zu ergreifen. Und das ist etwas, was es auch schon sehr lange in den USA gibt, was aber in Deutschland gerade noch in den Kinderschuhen steckt. Der Tech-Bereich ist auch einer der wenigen Bereiche, der soziale Mobilität bietet, da es auch egal sein kann, welchen Studienabschluss ich erlangt habe, solange ich auch die Fähigkeit besitze, programmieren zu können. Allerdings ist es in Ländern wie den USA insgesamt offener gestaltet am Arbeitsmarkt, wo auch weniger Skepsis vorhanden ist - wenn ich programmieren kann und dies in einem Interview-Prozess nachweise durch eine Coding Challenge, bekomme ich den Job. In Deutschland sind die Hürden noch etwas höher, da häufig darauf geachtet wird, dass man Informatik oder auch Wirtschaftsinformatik studiert hat und da auch manchmal eine gewisse Grundskepsis gegenüber Quereinsteigern vorhanden ist. Umso wichtiger ist es auch, ein Anerkennungssystem für informelle Qualifikationen zu haben.
Das Weitere ist auch, dass politische Gremien von sehr großer Bedeutung sind. Das ist einmal der Digitalrat der Bundesregierung. Wenn wir uns dort die Zusammensetzung anschauen, ist es so, dass da sehr viele Leute aus dem Start-Up Bereich tätig sind, aber eine intersektionale Perspektive in den Diskursen, die dort geführt werden, noch nicht vorhanden ist. Das nächste ist die Datenethikkommission und die Datenethikkommission beschäftigt sich mit genau solchen Fragestellungen, was Gerechtigkeit oder Fairness überhaupt bedeutet, im Kontext von Daten, aber auch KI. Sie ist auch dazu da, verschiedene Szenarien von KI-Anwendungsfällen zu überprüfen, wenn es beispielsweise um das autonome Fahren geht: wenn ich jetzt als Auto fahre und dann eine Entscheidung treffen muss, ob ich weiterfahre oder nicht, zum Beispiel. Solche unterschiedlichen Szenarien durchzugehen, das sind dann eben genau die Themen, bei denen die Datenethikkommission zusammenkommt, mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft. Und das sind die beiden Gremien, bei denen wir auch als Hebel ansetzen können.
Zu guter Letzt: Was kann die Gesellschaft tun? Wie schon am Anfang erwähnt, ist es so, dass es ganz viele Women in Tech-Verbände gibt, in der Vereins- und Verbandskultur. Aber was fehlt ist, dass es einen übergreifenden Verband gibt zur Vereinigung dieser ganzen Interessen, die gebündelt werden, damit Synergien geschaffen werden können und es eben nicht einzelne Silos gibt. Und das ist etwas, was unheimlich wichtig ist, und auch, dass es dann eben nicht nur um Frauen geht, sondern auch um andere Personengruppen, die dort repräsentiert sind, damit das Thema systematisch und gesamtheitlich gedacht und auch vorangetrieben werden kann. Aber auch auf der individualen Ebene innerhalb der Gesellschaft kann jeder von uns einen Beitrag leisten, indem wir nicht zu anderen Menschen sagen: „Bist du nicht zu alt, um jetzt programmieren zu lernen?“, sondern Menschen in unserem Umfeld dazu ermutigen, sich beruflich umzuorientieren. Ein tolles Beispiel ist eine Dame, die vorher als Modedesignerin gearbeitet hat und sich dann innerhalb von Corona-Zeiten umschulen lassen hat, als sogenannter DevOps Engineer und jetzt in dem Bereich tätig ist. Das ist eine Geschichte aus der Community, die unter anderem auch im Spiegel porträtiert wurde, aber einfach ein tolles Beispiel dafür ist, dass es niemals zu spät ist, auch einen neuen Weg einschlagen zu können. Und dass wir uns eben in einer Industrienation wie Deutschland vom geradlinigen Lebenslauf verabschieden müssen und auch Lücken und Neuanfänge und Mut willkommen heißen müssen, wofür auch mehr Vorbilder und Geschichten in Wirtschaft und Medien sichtbar gemacht werden müssen.
Am Ende möchte ich gerne noch eine tolle Geschichte erzählen, und zwar eine wahre von zwei armenischen Gründern, Tigran Sloyan und Aram Shatakhtsyan. Beide sind in Armenien groß geworden und haben an derselben Universität studiert. Tigran ist später in die USA ausgewandert und hat sogar am renommierten MIT studiert und hat danach auch einen Job bei Google bekommen, während Aram in der Heimat zurückgeblieben ist und sich auch für diese Jobs beworben hatte, für große Tech-Konzerne in den USA, allerdings keine Einladung bekommen hat, obwohl Aram faktisch gesehen der bessere Programmierer ist. Und da hat Tigran gemerkt, dass es ein Problem gibt, dass Tech-Konzerne einen Bias im Einstellungsprozess haben, auch wenn es um Techies geht. Und aufgrund dieser Geschichte haben sich beide zusammengetan und die Plattform CodeSignal entwickelt, eine Recruiting-Plattform, die mittlerweile von großen Unternehmen verwendet wird, die das einsetzen, um Techies wirklich nach Fähigkeiten einstellen zu können und nicht nur danach, an welchen renommierten Universitäten oder Unternehmen sie zuvor gearbeitet haben. Und das ist eine wunderschöne Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass Diversity in Tech eben auch zu Innovation führen kann, zu Produkten, die vom Markt gefordert werden. „Artificial Intelligence is neither good nor evil. It’s a tool, it‘s a technology for us to use.”, sagte Oren Etzioni und der Satz kann nicht besser passen. Denn Technologie ist am Ende des Tages eine Frage dessen, was wir damit machen und diese Verantwortung obliegt uns Menschen. Deswegen müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, dass Diversity in Tech eben nicht nur nice to have ist, sondern essenziell, sogar ein Maßstab, da es eben nicht nur um die Wirtschaftsförderung als auch Innovation geht, sondern darum, wie unsere Welt von morgen aussieht.
Annette Goerlich: Vielen Dank, Mina. Das war ein sehr umfassender Aufschlag. Und ich habe jetzt direkt noch die Frage an dich: Welche Unternehmen sind denn nicht nur offen, sondern interessieren sich aktiv für das, was ihr anbietet? Und wo, meinst du, besteht noch ziemlich deutlicher Überzeugungsbedarf?
Mina Saidze: Also insgesamt ist es so, dass internationale und vor allem auch amerikanische Konzerne viel, viel weiter in der Debatte sind, was Diversity betrifft, da auch das Selbstverständnis dort als Einwanderungsland viel eher vorhanden gewesen ist und bestimmte Thematiken viel früher debattiert worden sind. In Deutschland hat es gerade so seine Anfänge und wir merken jetzt mit dem Zeitgeist auch, dass wir uns hier erst mit genau solchen Fragen beschäftigen. Dementsprechend ist es schon so, dass deutsche Unternehmen demgegenüber aufgeschlossen sind, das hängt dann natürlich auch immer von der Frage ab, wie groß die Organisation ist. Generell ist es so: je größer das Unternehmen, je mehr Mitarbeiter:innen dort beschäftigt sind, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass da erstens eine höhere Internationalität vorhanden ist, aber gleichzeitig natürlich auch mehr finanzielle Ressourcen. Und das bedeutet wiederum, dass es dann auch eine Abteilung gibt, wie zum Beispiel das Diversity Management oder People of Culture und sich dort dann auch wirklich die Zeit und Muße genommen wird, sich damit auseinanderzusetzen. Und bei den mittelständischen Unternehmen ist es schon schwierig, überhaupt an gute Talente zu kommen, da sie sich ja im Wettbewerb befinden, auf der einen Seite mit Start Ups, die wirklich innovative Technologien entwickeln und dadurch auch attraktiv sein können, auch wenn sie vom Namen her vielleicht nicht so bekannt sind wie ein großer Tech-Konzern, versus eben die großen Tech-Giganten. Der Mittelstand befindet sich da genau im Wettbewerb und ist überhaupt froh, wenn er dann in der Lage ist, an solche Fachkräfte zu kommen. Und daher ist es so, dass wir vom Mittelstand eher wenig bis gar keine Resonanz bekommen.
Annette Goerlich: Ja, das ist gut vorstellbar. Wobei das deinen Vorschlag dann nochmal unterstützt, schon ganz früh anzufangen und sehr viel mehr zu tun und wirklich auszubilden, zu qualifizieren. Du hast es ja aufgezeigt, dass Fachkräfte fehlen, da hast du ein starkes Argument eingebracht.
Mina Saidze: Richtig. Also ist es so, dass wir den Fachkräftemangel haben. Und wenn wir uns die Politik anschauen und auch die Parteiprogramme, geht es ja immer darum, Frauen in MINT-Berufen zu fördern oder den Girls Day voranzubringen. Allerdings ist es ein viel wichtigerer Hebel, wirklich zu schauen, wie wir Leute entweder upskillen oder reskillen können. Upskillen bedeutet, dass Menschen mit semi-technischen Fähigkeiten weiter ausgebildet werden und sich spezialisieren können und dass es dann eben auch vom Arbeitgeber oder vom Staat oder anderen Institutionen gefördert wird. Und reskillen bedeutet, dass Leute, die durch die Automatisierung ihren Job verlieren, die Möglichkeit bekommen, eine neue Chance zu ergreifen, indem sie den technischen Beruf erfassen können und dann eben das sogenannte reskilling stattfindet, also dass eine neue Fähigkeit antrainiert wird. Und wenn man diesen Ansatz noch stärker verfolgt, würde das meiner Meinung nach noch mehr bringen.
Annette Goerlich: Ja, und dazu haben wir auch noch eine sehr passende Frage: Wer ist wann zu alt für ein neues Fachgebiet? Beziehungsweise zu der Reaktivierung und Aktualisierung von Kenntnissen? Was empfiehlst du weiblichen Personen über 50, wenn sie lange aus dem Job raus sind? Wo sind die besten Perspektiven?
Mina Saidze: Das ist eine sehr interessante Fragestellung. Das ist natürlich auch sehr stark davon abhängig, wie die Vita zuvor aussah. Ich nehme mal das Beispiel einer Linguistin, also einer Person, die einen geisteswissenschaftlichen Abschluss hat und sich viel mit Texten auseinandergesetzt hat und jetzt den Entschluss fasst, einen beruflichen Neuanfang zu wagen. Dann lohnt es sich auch immer in eine Richtung zu gehen, in der man die Kenntnisse und Fähigkeiten, die man zuvor akquiriert hat, wiederverwenden kann. Zum Beispiel im Bereich der Computerlinguistik, also dass man sich dann mit Natural Language Processing beschäftigt. Oder wenn ich vorher als Buchhalterin gearbeitet habe und viel mit Excel Tabellen zu tun hatte, dann kann ich mich beispielsweise mit Visual Basic Application oder Python beschäftigen, um in der Lage zu sein, innerhalb der Buchhaltung bestimmte Prozesse zu automatisieren und kann dann aus dem Bereich Finance/Accounting nach und nach in Richtung Data Analytics oder Business Analytics transferieren. Also, dass man einen Weg findet, das, was man zuvor gemacht hat, anzuwenden, dort einen Use Case oder eine Problemstellung zu finden, die man mithilfe von Technologie lösen kann und sich dort dann nach und nach einarbeitet.
Annette Goerlich: Ja, danke. Ich denke, das war eine umfassende Antwort auf die Frage. Dann können wir jetzt zu der nächsten übergehen, und zwar: Könnte man sagen, dass ein Mangel an Diversität auch aus unterschiedlichen Bezahlungen bei gleicher Eignung entsteht? Also zum Beispiel durch Vergleiche wie Frau, Mann, Migrationshintergrund, Alter, Ost, West, und so weiter. Wenn ja, welche Anreize könnte man für Unternehmen setzen, sich abseits der bis dato gelebten, rechtlich möglichen Einsparungsmöglichkeiten fairer zu verhalten?
Mina Saidze: Also unterschiedliche Bezahlung gibt es definitiv, das ist auch statistisch nachgewiesen worden, und ein Hebel der Bundesregierung war es, das sogenannte Entgelttransparenzgesetz hervorzubringen. Nun stellt sich die Frage, ob es dann in der Realität von Frauen genutzt wurde und das wurde auch im Nachgang unter Frau Giffey vom Bundesfamilienministerium evaluiert, wobei sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es nicht wirklich viele Frauen genutzt haben, dieser Hebel hat schon mal nicht gewirkt. Und ich glaube, die Gründe sind eigentlich komplex. Ich glaube nicht, dass es aufgrund der unterschiedlichen Bezahlung obliegt, denn auch wenn ich nicht im Tech-Bereich tätig bin, werde ich ja auch strukturelle Diskriminierung in anderen Berufsbereichen erfahren können. Daher glaube ich nicht, dass das der Fall ist. Aber bezüglich der zweiten Frage, wie bestimmte Anreize auf Seiten des Arbeitgebers gesetzt werden können, gibt es eine gewisse Transparenz zu gewährleisten, wenn sich Leute im Unternehmen bewerben. Also zum Beispiel zu sagen, für Stelle X haben wir eine Gehaltsspanne von soundso, statt einfach nicht zu sagen, wie viel Puffer vorhanden ist. Und wenn man potenziellen Arbeitnehmern mit dieser Transparenz entgegenkommt, dann kann auch Fairness geschaffen werden. Deswegen veröffentlichen manche Unternehmen sogar die Gehaltsspanne, die sie für bestimmte Rollen anbieten, damit es eben auch dahingehend nicht dazu kommt, dass dann Menschen, die weniger Information besitzen, unterbezahlt werden.
Annette Goerlich: Ja, das ist in der Tat, wie du gesagt hast, komplex. Aber es gibt Instrumente und die sollten endlich konsequenter umgesetzt werden, sonst wissen wir ja, wie lange es dauert, bis wir da zu einer gleichen Wertschätzung, geschweige denn Bezahlung kommen.
Wir haben hier noch eine Frage, die ist zwar etwas kryptisch, aber wir kriegen das hin: Zehn Jahre Berufserfahrung, dann zehn Jahre raus, vorher Softwareentwicklung, Webentwicklung - Ich nehme an, das bezieht sich darauf, ob es da Anknüpfungspunkte gibt in Bezug auf eine berufliche Weiterentwicklung?
Mina Saidze: Wenn ich zehn Jahre aus dem Job raus bin und dann wieder Fuß fassen möchte im Arbeitsmarkt, das ist nicht so eine einfache Sache. Ein Weg ist es natürlich, einen Projekt-Portfolio zu haben. Also, auch wenn ich selber nicht angestellt bin, dass ich an eigenen Projekten arbeite, die ich dann als Portfolio bei der Bewerbung verwenden kann, um nachweisen zu können, dass ich Praxiserfahrung besitze. Im Tech-Bereich ist es dann häufig Github Repository, wo man den Code veröffentlicht, der dann auch einsehbar ist, der dann im Lebenslauf mit Link hinterlegt werden kann. Oder wenn es sich eben um Webseiten-Entwicklung handelt, dass man auf seine eigene Webseite verweist und zeigt, an welchen anderen Webseiten man gearbeitet hat. Und wenn man das nicht schon länger gemacht hat, sich auch wirklich mit anderen Personen zu vernetzen und auszutauschen, um in Erfahrung zu bringen, was gerade state-of-the-art ist, also zu Deutsch dem aktuellen Stand der Technologie entspricht und da wirklich Input bekommt und einen Lernplan aufsetzt, wie dann diese neuen Tools erlernt werden können, zum Beispiel über YouTube oder auch Online Plattformen wie Houdini oder Udacity und sich dann dementsprechend dort fortbildet.
Annette Goerlich: Gut. Jetzt haben wir eine weitere Frage, nämlich: Wie kann das Problem der Datensätze denn gelöst werden, also dass die Datensätze Gruppen unterrepräsentieren oder nicht vollständig sind? Und kannst du noch einige Beispiele nennen, in denen es durch die Datensätze zu problematischen Situationen kam?
Mina Saidze: Ich würde erstmal kurz auf die zweite Frage eingehen und dann auf den ersten Teil. Nehmen wir jetzt mal das Beispiel der Gesichtserkennungssoftware aus dem Vortrag. Wie kam es überhaupt dazu, dass diese Software nicht in der Lage war, bestimmte ethnische Minderheiten nicht zu erkennen? Hintergrund ist, dass der Datensatz ja aus Bildern bestand und diese Bilder überwiegend weiße Menschen enthalten haben, aber kaum People of Color oder Menschen mit Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass die Daten eben nicht die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet haben und der Algorithmus dahingehend darauf trainiert wurde und dementsprechend natürlich auch das Produkt dann kaum in der Lage war, diese Menschen zu erkennen. Und das hat eben dazu geführt, das fängt dann oft bei den Daten an und es gibt da auch unterschiedliche Arten von Bias oder zu Deutsch Vorurteile oder Voreingenommenheit, insgesamt fünf. Einer davon ist der sogenannte Exclusion Bias. Der Exclusion Bias bedeutet, wenn ich jetzt mit dem Daten-Team zusammenarbeite, habe ich einen riesigen Datensatz und sagen wir mal, ich arbeite in einem E-Commerce Unternehmen und unsere Kunden, die auf die Website kommen, sind überwiegend deutsch. Gleichzeitig habe ich auch Leute aus Frankreich, die auch unsere User sind. Aber weil es immer sehr aufwendig ist, solche großen Datensätze zu analysieren, kann ja manchmal auch eine Annahme getroffen werden, um das Modell zu vereinfachen, genauso wie in der Wissenschaft. Das bedeutet eben, dass ich dann sage: Okay, wir schauen uns die User in Frankreich nicht an. Aber was ist, wenn 90 % der User zwar aus Deutschland kommen, aber die 10 % der User aus Frankreich innerhalb ihrer Kauftransaktionen doppelt so viel Umsatz bringen, ich sie aber von vornherein ausgeschlossen habe, weil ich dachte, die 10 %, die sind nicht so relevant. Dann habe ich schon in dem Moment etwas verpasst, einfach nur aufgrund dessen, dass ich anhand eines bestimmten Attributes, was hier jetzt die Geografie ist, einfach mal etwas ausgeschlossen habe. Das ist jetzt eines von vielen Beispielen, da gibt es eben unterschiedliche Szenarien. Oder wenn Datensätze auch ein Label zugewiesen bekommen, sagen wir mal, wir arbeiten alle an einem Projekt zusammen für eine Bilderkennungs-Software. Diese Bilderkennungs-Software benötigt auch sogenannte Daten Labels. Jede Bilddatei hat sogenannte Metadaten, also Beschreibungen, um was für ein Bild es sich handelt. Und sagen wir mal, wir haben einen großen Datensatz von verschiedenen Tieren und dort müsste die Tierart bestimmt werden – ist es eine Katze, ein Hund, ein Affe etc. Und das kann eben annotiert werden, von Menschen, per Hand, dieses sogenannte Data Labeling wird vom Menschen betrieben. Aber was ist, wenn die Menschen, die das machen, nicht dasselbe Verständnis davon haben? Nehmen wir mal das Beispiel von einem Handy: Ich kategorisiere das Handy entweder als „Schrott“ und „nicht Schrott“ ein, aber jemand anderes in meinem Team schaut sich „Schrott“ an, „zum Teil Schrott“ und „nicht Schrott“. Und ab dem Moment habe ich schon ein Problem bei der Bilderkennungs-Software, die wir entwickeln. So kann sich das dann innerhalb eines datengetriebenen Produktes perpetuieren. Was man jetzt dagegen machen kann, ist, das sogenannte Bias Testing einzuführen, innerhalb dieser Teams meistens Data Science, Machine Learning Engineering oder Data Analytics Teams. Und das Bias Testing ist eine präventive Maßnahme, bei der ich mich genau mit dieser Fragestellung befasse. Eine weitere Hilfestellung ist auch das sogenannte AI Risk Adaption Framework, welches auch von McKinsey im Detail illustriert ist, wo es auch um die bestimmten Risikostufen bei der Adaptierung von KI geht und das kann zur Hilfe genommen werden, auch wenn ich eben kein diverses Team habe. Denn ein diverses Team bedeutet am Ende des Tages nicht, dass der Bias verhindert werden kann. Ein sogenannter Bias kann eben auch von einem Team bestehend aus alten weißen Männern verhindert werden, wenn sie sich der Methodologie dessen bewusst sind, der Möglichkeiten. Aber damit ich insgesamt bessere Produkte für den Markt entwickle, ist Diversität von Vorteil. Wenn wir jetzt zum Beispiel an Gesundheits-Apps denken, wo der weibliche Zyklus nicht mitgedacht wurde, erst im Nachgang. Hätte man dort zumindest eine Frau oder mehrere Frauen im Team gehabt, hätten sie vielleicht darauf aufmerksam gemacht. Daher ist Diversity in Tech ein Vorteil, um eben auch inklusive Produkte entwickeln zu können.
Annette Goerlich: Ja, das leuchtet unmittelbar ein. Jetzt haben wir hier eine Frage, und zwar: Wie können wir Beispiele von BIPoCs in Tech mehr sichtbar machen? Vielleicht erklärst du vorab mal, was BIPoCs bedeutet.
Mina Saidze: PoC steht für People of Colour und generell ist People of Colour eher der geläufigere Begriff, den wir innerhalb der Organisation nutzen. Das ist auch immer von Region zu Region unterschiedlich, in den USA wird immer von BIPoCs gesprochen, in Großbritannien von BAME etc. Und People of Colour bedeutet, dass es sich um Menschen handelt, die sich als solche identifizieren, als Menschen, die eine andere, in Anführungsstrichen, Hautfarbe haben. Und ich weiß auch, dass ich manchmal kritisiert werde. Warum? Weil ich eben nicht schwarz bin, aber mich als Woman of Colour identifiziere. Allerdings ist es auch so, wenn man aus dem zentralasiatischen Kontext oder auch nordafrikanischen Kontext kommt, dass man sich auch als People of Colour zugehörig fühlen kann, dass diese ethnischen Gruppierungen ebenfalls mit inkludiert sind in diesem Begriff. Generell, wie können wir mehr Beispiele von sogenannten BIPoCs im Tech-Bereich haben? Ich denke es gibt schon einige in Deutschland, also dazu gehöre ich ja mitunter als auch Aya Jaff, irakische Programmiererin oder auch Kenza Ait Si Abbou, die eine marokkanische KI-Expertin ist. Es gibt einige dieser Vorbilder, allerdings kann man die auch mehr oder weniger an einer Hand abzählen und wir brauchen natürlich mehr davon. Der erste Schritt ist, dass diese Vorbilder natürlich sichtbar gemacht werden, sei es durch Plattformen wie diese, die die Heinrich Böll Stiftung bietet, oder die mediale Berichterstattung, als auch durch Communities und dass wir auch insgesamt mehr dieser Menschen fördern, durch Mentoring und andere Angebote. Aber gleichzeitig eben auch, dass die Regierungen und Unternehmen dahingehend noch mehr tun müssen, weil das Bewusstsein nicht in dem entsprechenden Ausmaß vorhanden ist, wie es sein sollte. Und da ist für mich die USA definitiv ein Vorzeigebeispiel, wovon wir auch lernen können.
Annette Goerlich: Ja. Früher damit konfrontiert zu werden, früher angefangen haben zu lernen, das ist eben auch von Vorteil. Und vielleicht können wir ja dadurch das Lernen jetzt abkürzen und uns etwas abgucken.
Da kommt jetzt noch einmal eine Nachfrage zu der allerersten Frage, und zwar an dich, wie dieses Programmier-Projekt hieß. Erinnerst du dich noch, was du da erwähnt hattest?
Mina Saidze: Es gibt viele verschiedene Plattformen, die das unterstützen, dazu gehören Udemy, Udacity, genau, das sind so die beiden wichtigsten, aber es gibt natürlich auch andere, wie zum Beispiel Code Academy und W3Schools. Also es gibt sehr, sehr vieles im Netz und auch auf YouTube, eigentlich alles, was das Herz begehrt. Aber ich würde Udemy definitiv empfehlen. Und wenn man sich jetzt für Data Analytics oder Data Science interessiert, dann kann ich persönlich Python empfehlen und auch die Erlernung der Datenbank-Sprache SQL, Structured Query Language.
Annette Goerlich: Ja, prima. Vielen Dank. Dann können wir zur nächsten Frage übergehen, und zwar schreibt ein Teilnehmer „Ich bin im OpenSource Bereich tätig und auch im Unternehmen im Bereich Tech unterwegs. Frauen sind meines Erachtens in Open Source-Projekten unterrepräsentiert. Dies liegt an unterschiedlichen Faktoren und sicherlich auch an der Bezahlung der Erwerbsarbeit und die höhere Care Arbeit von Frauen. Dies schadet auch etwas den Bewerbungsunterlagen, dass sie nicht so stark in Open Source Bereich tätig sind. Haben Sie da Erfahrungen von Netzwerken im Bereich Tech, die sich mit der Förderung einer Inklusion von Frauen im Bereich Open Source beschäftigen, mit denen ich mich vielleicht auch mal austauschen kann?“
Mina Saidze: Da muss ich ehrlicherweise sagen, habe ich eher weniger Erfahrungen. Die meisten innerhalb unserer Community sind entweder in der Forschung oder auch der Privatwirtschaft tätig. Aber eine Frau, die mir einfällt, die im Open Source-Bereich führend ist, ist Meike Zehlike, die auch am Max-Planck-Institut zuvor geforscht hat und mittlerweile bei Zalando arbeitet. Aber generell fällt mir jetzt dahingehend niemand spezifisch ein.
Annette Goerlich: Ja, das bestätigt, was geschrieben wurde, dass es einfach wenige Frauen in dem Bereich gibt. Hier ist noch eine Meldung, du hast am Anfang ein Zitat gezeigt, „Ich würde gerne mehr Frauen beschäftigen, es gibt aber nicht genug“. Könntest du auf diesen Satz genauer eingehen und ein paar Statistiken dazu geben, wie das mit der Anzahl der Absolventinnen im Tech pro Jahr aussieht im Vergleich mit den Absolventen?
Mina Saidze: Mir fällt da jetzt keine spezifische Zahl ein, aber ich kann eine Studie empfehlen, von der Boston Consulting Group, mit der Fragestellung „What keeps women out of data science?“. Die haben dort unter anderem auch einen Funnel dargestellt und gezeigt, dass es schon damit anfängt, dass insgesamt in den mathematischen, naturwissenschaftlichen oder auch wirtschaftswissenschaftlichen Fächern generell weniger Frauen anfangen, zu studieren. Aber auch die Frauen, die diese Fächer dann studieren, streben direkt nach dem Studium eher business-orientierte Positionen an, weil sie das Gefühl haben, dass das Feld von Tech zu abstrakt ist und dass man da auch wenig Einfluss innerhalb eines Unternehmens haben kann. Das fängt schon damit an, dass die Absolventinnen dieser Studiengänge sich dann nicht unbedingt für eine technische Karriere entscheiden. Und später ist es dann auch so, dass selbst die Frauen, die da im technischen Beruf arbeiten, in den ersten Berufsjahren schon das Gefühl haben, dass sie dort eine gläserne Decke haben und keine Führungsposition bekommen, auch vielleicht aufgrund dessen, dass man dann der Frau den Job nicht zutraut oder auch aufgrund anderer Faktoren, die dort eine Rolle spielen. Und aus dieser Frustration heraus, oder auch als Folge der mangelnden Aufstiegschancen, wechseln sie dann eher in eine Business-Position oder ins Produktmanagement oder in andere Felder, die immer noch eine technische Komponente besitzen, die aber nicht notwendigerweise ein komplett technischer Job sind und dort dann auch viel schneller Aufstiegsmöglichkeiten erfahren. Und das ist glaube ich ganz interessant, weil ich das auch aus der Realität bestätigen kann. Es fängt schon damit an, dass viel zu wenige diese Fächer studieren und die, die die Fächer dann studieren, etwas ganz anderes am Ende machen und wir dadurch einfach immer einen kleineren Talentpool haben und es dann dementsprechend auch im C-Level kaum weibliche CTO gibt oder auch kaum Chief Data Officers und dann im C-Level Frauen eher typisch weibliche Ressorts besetzen, wie als Chief Human Ressource Officer etc.
Annette Goerlich: Also was wir bisher gelernt haben von diesen nicht besonders erfolgreichen Kampagnen „Frauen in Männerberufe“, jetzt heißt es auch anders, „Girls in Mint“, und so weiter, das ist das: Wenn man versucht, die Berufe, so wie sie heute sind, für Frauen schmackhaft zu machen, dann funktioniert das nicht. Sondern was zählt ist, dass aufgezeigt wird, was diese Berufe und Tätigkeiten mit der Gesellschaft zu tun haben, mit unserem Leben, und wie ich damit das Leben von Menschen besser mache. Das ist nämlich, was Frauen in der Regel interessiert und weshalb sie dann auch so häufig menschengebundenen, schlecht bezahlten Jobs landen mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten. Also die gesellschaftliche Relevanz dieser Arbeit im Data Tech aufzuzeigen, das wäre erfolgversprechend, wenn man Frauen rekrutieren will, glaube ich.
Mina Saidze: Definitiv. Also das Image dieser Jobs muss sich ändern, denn es ist eben nicht ein trockener Job, im Gegenteil. Er erfordert Kreativität, dass ich um die Ecke denken kann, dass ich in der Lage bin, Probleme zu lösen, aber auch, dass ich technische, komplexe Sachverhalte verständlich kommunizieren kann. Und das sind alles Fähigkeiten, die nicht nur analytisch sind, sondern auch soziale Kompetenzen erfordern. Es ist ja nicht so, dass ich alleine in meinem Kämmerlein sitze und still vor mich hin programmiere, sondern mit einem größeren Team zusammenarbeite und da gemeinsam an einem Produkt gearbeitet wird und ich deswegen auch kein Einzelkämpfer sein kann, sondern ein Teamplayer sein muss. Das ist definitiv ein sozialer und kreativer Beruf, was wir uns immer wieder hervorrufen müssen und auch nach außen kommunizieren müssen.
Annette Goerlich: Es bleibt eine Aufgabe. Wir gehen inzwischen zu folgender Frage weiter: „Ich verstehe zwar, dass Unternehmen aus Fachkräftemangel und Druck von außen sagen: „Wir öffnen uns für diverse Teams“. Mir ist noch nicht ganz klar geworden, mit welchen Strategien sie das tun können. Schließlich reicht es ja nicht, nur zu sagen, dass man offen sei. Sie haben selbst von dem Faktor Zugehörigkeitsgefühl gesprochen. Wie kann das gefördert werden? Wie kann eine Öffnung der Unternehmen langfristig gelingen?“
Mina Saidze: Es stimmt, es reicht eben nicht, nur in der Stellenausschreibung zu schreiben, dass Bewerbungen von Frauen oder auch Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht sind. Das ist ja am Ende des Tages nur eine Phrase. Wichtiger ist es, auch bei den Benefits darauf zu achten, dass beispielsweise Teilzeit-Optionen vorhanden sind. Da gab es ein großartiges Beispiel von einer Londoner Bank, die verglichen hat, wie viele weibliche Bewerberinnen sie in der Lage waren zu rekrutieren. Sie hatten zuvor eben ganz klassisch in der Stellenausschreibung Vollzeit angegeben, aber dann in einer weiteren Anzeige auch prominent platziert, dass es die Option für Teilzeitarbeit gibt. Und auf einmal haben sie gemerkt, dass sie einen viel größeren Talentpool an weiblichen Bewerberinnen hatten. Und alleine solch eine kleine Ergänzung, und auch darauf zu achten, Sprache inklusiv zu gestalten, kann dabei helfen, genau diese Talente anzusprechen. Das bedeutet, auch wenn ich Adjektive nutze, um meine Traum-Bewerber oder Bewerberin zu beschreiben, dann steht da häufig so etwas wie wettbewerbsorientiert, erfolgsorientiert etc. und dass man das eher ummünzt, in auch weicheres Wording. Da gibt es mittlerweile auch Tools, eines zum Beispiel von Stepstone, ein Gender Bias Decoder, welcher verwendet werden kann, um dann wirklich diese Begrifflichkeiten zu entschlüsseln und dort auch alternative Formulierungen zu verwenden, um eine Sprache zu gestalten, bei der ich mich auch in dem Moment als Frau oder auch andere Personengruppe zugehörig oder angesprochen fühle. Und das sind Maßnahmen, die man ergreifen kann, wenn es ums Recruiting geht. Aber dann gibt es ja noch den zweiten Teil, Acquisition und Retention. Also, dass ich die Leute, die ich eingestellt habe, auch langfristig an das Unternehmen binden kann. Und da braucht es auch von den Unternehmen wirklich die konkrete Verpflichtung, dass eine Kultur geschaffen wird, in der jeder und jede sich willkommen führt. Denn viele achten darauf, dass es eine Vielfalt gibt im Bewerber-Pool, man dann vielleicht ein paar Leute eingestellt hat, um eine Quote oder auch keine Quote zu erfüllen, aber sich zumindest auf die Schulter klopfen zu können. Aber die Frage stellt sich ja. Wie lange bleiben diese Personen? Fühlen sie sich überhaupt wohl in der Umgebung? Und das sind wichtigere Fragestellungen. Und dahingehend gibt es auch Möglichkeiten, indem man sogenannte Employer Ressource Groups mit aufbaut innerhalb der Organisation, also Initiativen, die von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen getrieben werden.
Annette Goerlich: Ich möchte kurz noch eine Anmerkung machen zu dem Thema Beschäftigte halten. Und zwar, du hast gesagt, Teilzeitarbeit anbieten und dann merkt man deutlich eine Reaktion darauf. Es gibt noch einen anderen Hebel, und zwar, anzudeuten oder zuzusagen, dass Führungspositionen geteilt werden können, also Jobsharing in verantwortungsvollen Positionen. Auch das erleichtert Leuten, die Familien-Verantwortlichkeiten haben oder gerne wahrnehmen möchten, deutlich dann auch beruflichen Aufstieg anzugehen. Und das finde ich auch nicht ganz unwichtig.
Mina Saidze: Definitiv. Also das Modell ist auch eines, das wir definitiv willkommen heißen. Und bei idealo beispielsweise gibt es das auch, in dem eine Abteilung auf zwei Leiterinnen und Leiter aufgeteilt wird, in sogenannte Head of Product und Head of Technology, die sich diese Führungsposition gemeinsam teilen. Und damit sind wir auch sehr erfolgreich gefahren.
Annette Goerlich: Ja, ich habe auch den Eindruck, dass es sich so langsam durchsetzt, dass es auch für das Unternehmen ein Gewinn ist. Ja, dann kommt schon die Schlussfrage. Das passt jetzt sehr gut. Nämlich, ob wir nach der Session eine Liste mit den Links und Quellenangaben aus der Präsentation versenden können. Ja, wir haben diese Veranstaltung aufgezeichnet und die wird dann im Netz stehen, die können Sie sich also angucken. Und Mina jetzt noch die Frage, ob wir vielleicht bei uns in der Dokumentation deine Präsentation einstellen könnten mit den Hinweisen, die du im Chat gegeben hast. Wäre das okay für dich?
Mina Saidze: Ja, das wäre sehr schön.
Annette Goerlich: Dann machen wir das sehr gerne, dann finden Sie das in den nächsten Tagen bei uns auf der Homepage, www.boell-bw.de. Ja, und wo wir jetzt schon dabei sind, Homepages und Links zu empfehlen, möchte ich auch noch einen empfehlen, und zwar wieder von der heute schon oft gelobten, wunderbaren Heinrich Böll Stiftung. Die hat nämlich ein feministisches Institut, das Gunda-Werner-Institut und dieses hat einen Dossier zu Netzpolitik, den ich sehr empfehlen möchte, allen, die in diesem Thema informiert sein möchten und an den Diskussionen teilhaben möchten.
Ja, dann danke ich allen für das Teilnehmen und für das aktive Teilnehmen an unserer Veranstaltung und natürlich ganz besonders dir, Mina. Es war ein lehrreicher Abend, es war ein interessanter Abend und wie so häufig können wir sagen - die Arbeit geht weiter, die Aufgabe ist groß, aber wir packen sehr an.
Mina Saidze: Definitiv. Wir müssen laut werden. Und wir dürfen uns auch nicht einschüchtern lassen. Auch nicht von anonymen Hasskommentaren im Netz, die ja immer wieder hervorgerufen werden. Insbesondere auch, wenn man als Frau oder auch als Frau mit Migrationshintergrund in der Öffentlichkeit steht. Umso wichtiger ist es, dass wir als Zivilgesellschaft auch zusammenhalten. Und deswegen bedanke ich mich auch herzlichst bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die heute anwesend waren und genauso wie ich zur Demokratieförderung und Schaffung des Dialogs beitragen. Also herzlichen Dank auch noch mal für die Einladung und auch für die Unterstützung eurerseits.
Annette Goerlich: Ja sehr gerne. Es muss einfach normaler werden, Mina, dass Frauen wie du vorne sitzen und dass wir gemeinsam darüber reden. Dann bin ich zuversichtlich. Ganz herzlichen Dank, allen. Und ich wünsche jetzt noch einen schönen Abend.