Die Stadt Offenbach am Main gewinnt das Ranking deutscher Großstädte 2022 mit Blick auf die Frauenrepräsentation in der Kommunalpolitik vor der klassischen Spitzenreiterin Frankfurt a.M. Das Schlusslicht bildet die Stadt Salzgitter. Zehn Fakten zur Repräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik.
Das mittlerweile fünfte Ranking deutscher Großstädte zur politischen Repräsentation von Frauen wurde von Prof. Dr. Lars Holtkamp und Dr. Elke Wiechmann von der FernUniversität in Hagen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung erstellt. Dafür hat das Team des Lehrgebiets Politikwissenschaft IV: Politik und Verwaltung 77 Großstädte mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (mit Stadtstaaten) anhand ihrer Frauenanteile an Ratsmitgliedern und kommunalpolitischen Führungspositionen –, Dezernatsleitungen, Ausschuss- und Fraktionsvorsitzen – sowie am Oberbürgermeisteramt verglichen. Die Daten wurden mittels eines Genderindex gewichtet.
1. Politische Repräsentation von Frauen
Frauen sind gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil in den Kommunalparlamenten und in kommunalen Führungspositionen unterrepräsentiert, beim Oberbürgermeisteramt besonders stark.
2. Tempo der Veränderungen
Außer bei den Oberbürgermeisterinnen gibt es einen leichten Fortschritt bei der Frauenpräsentation. Aber das Tempo der Veränderung ist auch hier zu gering: Zwischen dem 1. und dem aktuellen 5. Genderranking liegen 14 Jahre, in denen es mit dem gleichen Zugang von Frauen zur Macht deutlich zu langsam vorangeht.
3. Positiver Trend
Bei den Ratsmandaten und den Dezernent/innen zeichnet sich ein kontinuierlicher Fortschritt ab. Bei den Dezernent/innen gab es die deutlichste Verbesserung von ca. 18 auf über 30 Prozent.
4. Quote
Bei den Ratsmandaten zeigt sich eine leichte Steigerung von 32,8 % auf 37,3 %. Wo Parteien Frauenquoten haben, erfüllen sie diese. Die größte Überraschung war dabei die CSU, die 2022 zum ersten Mal getrennt ausgewertet wurde, mit einem Frauenanteil von 42 %. Die Grünen übertreffen ihre 50%-Quote, die Linke erreicht knapp ihre Quote die ebenfalls bei 50 % liegt. Die SPD erreicht die 40-Prozent-Quote. In den Großstädten kommt die CDU derzeit auf einen Frauenanteil von 30 Prozent. Die FDP erreicht auch ohne Quote bzw. Quorum in etwa das Niveau der CDU, die AfD hat einen sehr geringen Frauenanteil von etwas über 13 Prozent.
5. Kommunale Führungspositionen
Die Frauenanteile der Ausschuss- und Fraktionsvorsitzenden steigen insgesamt ebenfalls, schwanken aber im Zeitverlauf:
Bei Fraktionsvorsitzenden: Der niedrigste Wert war 18,9 Prozent (2010), der höchste 25,7 % (2022). Bei Ausschussvorsitzenden: Der niedrigste Wert war ebenfalls 2010 (22,4 %), der höchste ebenfalls 2022 (31,5%). Die Zeitreihe startete 2008 mit 25,9 % und es dauerte bis zur aktuellen Erhebung, bis dieser Wert wieder erreicht und überschritten wurde.
6. Führung
Die Frauenanteile an Ratsmitgliedern haben Auswirkungen auf die Besetzung der Ausschuss- und Fraktionsvorsitzenden. Schaut man auf diese Positionen, so sind nur bei den Grünen etwas über die Hälfte mit Frauen besetzt – bei den Ausschussvorsitzenden mit einer erheblichen Steigerung von 20 Prozentpunkten im Anteilswert seit 2008. Bei Linken und der SPD hat der Frauenanteil bei Fraktions- und Ausschussvorsitzenden ebenfalls erheblich zugenommen. Bei FDP und CDU/CSU stagniert der Anteil weiblicher Fraktionsvorsitzender, während er bei den Ausschussvorsitzenden sogar erheblich sinkt (8 bzw. 10 Prozentpunkte im Anteilswert).
7. OB
Keinen Fortschritt gibt es bei den Oberbürgermeister/innen und dafür sind die Parteien verantwortlich, die die Kandidat/innen aufstellen: Der höchste Anteil wurde zu Beginn der Zeitreihe 2008 gemessen (17,7 %). Der Wert von 2022 beträgt 11,7 %, das ist der zweitschlechteste. Der niedrigste Wert des Frauenanteils von OB wurde 2017 ermittelt (8,2%). Die sinkende Zahl von Oberbürgermeisterinnen geht auf das Konto der CDU/CSU und der SPD, da diese beiden Parteien den überragenden Anteil der direkt gewählten Oberbürgermeister*innen stellen (über 90 % 2008 bzw. über 80 % 2022). Bei den Grünen sind 40 % der Oberbürgermeister/innen weiblich, allerdings stellen sie 2022 lediglich fünf Stadtoberhäupter.
8. Ost-West
Die Frauenanteile der Ratsmitglieder in Ost- und Westdeutschland haben sich innerhalb von 14 Jahren stark angeglichen. Bemerkenswert ist, dass nur die CDU/CSU etwa den gleichen Anteil weiblicher Ratsmitglieder in Ost und West hat, während sich die eher linken Parteien schwertun, ihre festen Quoten umzusetzen.
9. Kommunalwahlsysteme
Im Vergleich der Wahlssysteme fällt auf, dass die NRW-Großstädte im Ranking eher schlecht abschneiden – unter den Schlusslichtern sind auffällig viele NRW-Städte. Es gibt aber auch Ausnahmen wie Aachen (Platz 3), Bonn (Platz 12), Köln (Platz 15). NRW ist außer Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, in den nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt wird. Quoten lassen sich bei der Nominierung für Direktwahlkreise schlecht anwenden und hier kommen eher Männernetzwerke zum Zuge.
10. Zeitverlauf
Interessant an den Rankings der Großstädte im Zeitverlauf ist, dass es sowohl starke Schwankungen in der Platzierung gibt als auch Städte, die relativ kontinuierlich in der Spitzengruppe oder bei den Nachzüglern zu verorten sind. Erstere sind z.B. Frankfurt/M., München und Erlangen; letztere einige Ruhrgebietsstädte (Hagen, Bottrop, Hamm), aber auch Magdeburg und Salzgitter. Einen näheren Blick in die politische Kultur dieser Städte, die zum guten oder schlechten Abschneiden beiträgt, werfen wir in unseren Politikerinnen-Porträts. Diese Faktoren werden in weiteren Schritten in den kommenden Monaten ausgewertet.
Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de