Forum | Schule als Lernort für die offene Gesellschaft

Bericht

In diesem Forum stellte Anja Kirchner von der Stiftung Weltethos das von ihr gegründete interkulturelle Werteprojekt World LAB vor. Die Idee basiert auf der Annahme, dass Kinder und Jugendliche in der Schule neben reinem Wissen auch erlernen, wie ein konstruktives gemeinsames Miteinander funktioniert. Da gerade an den Schulen eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Ideen und Werten zusammenkommt, sind diese ein wichtiger Ort für Begegnung und Austausch. Anja Kirchner arbeitet seit 2014 in der Stiftung Weltethos und ist gelernte Diplom Betriebswirtin. Sie hat viele Jahre als Strategie- und Transformationsberaterin bei einer internationalen Unternehmensberatung gearbeitet und hat zahlreiche internationale Weiterbildungen absolviert.

Kinder in der Schule, die rennen

Das von ihr gegründete Projekt soll Raum für Begegnungen von Menschen schaffen, die sich sonst nicht begegnen würden. Konkret geht es dabei aktuell um die Begegnung zwischen einer regulären Klasse und einer vorbereitenden Klasse. Neben dem Schaffen von Begegnungsräumen soll auch die Demokratiekompetenz der Schüler*innen gestärkt werden. Sie sollen Vorurteile abbauen, über ihre eigene Identität reflektieren sowie sich bewusst machen, woher ihre Meinung kommt. Für die vorbereitende Klasse ist ein weiteres Lernziel eine Steigerung des Sprachniveaus, was neben den anderen Aspekten die Integration verbessern soll.

In einem ersten Begegnungsworkshop lernen sich die Schüler*innen kennen und werden durch Übungen aus dem interkulturellen Lernen neu durchmischt, z.B. indem sie sich nach ihrer Schuhgröße oder der Farbe ihrer Kleidung sortieren. In einem zweiten Werteworkshop werden dann gemeinsame Werte erarbeitet, indem die Schüler*innen zunächst die ihnen individuell wichtigen Werte benennen und dann gemeinsam überlegt wird, welche Werte für alle Menschen wichtig sind. Die Gruppe fungiert also sozusagen als „Labor für die Welt“. Zudem wird ein Projekt festgelegt, dass von der ganzen Gruppe in Tandems durchgeführt wird und das – im Gegensatz zu den Workshops, die von externen Mitarbeiter*innen geleitet werden – von der Lehrkraft betreut wird.

Das Schülerprojekt soll aus den Kategorien Umwelt, nachhaltige Wirtschaft, Kunst oder soziales Miteinander kommen, in der Gestaltung sind die Schüler*innen jedoch frei. So gab es z.B. Projekte, in denen Longboards gebastelt, Bienenkästen gebaut oder ein Outdoor Klassenzimmer gestaltet wurden. Für die besten Projekte gibt es sogar Prämierungen, was für die Schüler*innen ein zusätzlicher Ansporn ist. An dem Projekt soll über einen längeren Zeitraum gearbeitet werden, dabei lernen die Schüler*innen, Pläne zu erstellen, langfristig zu verfolgen und gegebenenfalls anzupassen und mit Rückschlägen umzugehen. Vorurteile, strukturelle Zwänge wie limitierte zeitliche Ressourcen, sprachlichen Schwierigkeiten und teils lückenhafte Anwesenheit einzelner Schüler*innen sind zwar Herausforderungen, dennoch fällt das Fazit der Teilnehmer*innen sowie der betreuenden Lehrkräfte meist sehr positiv aus. Besonders für die Schüler*innen der regulären Klasse, die in ihrem Umfeld zufrieden sind, denen nichts fehlt und die sich im Vorfeld nur wenig enthusiastisch über das Projekt äußern, habe dieses einen positiven Überraschungseffekt.

Seit 2016 haben über 800 Schüler*innen aus mehr als 40 Nationen an dem Projekt teilgenommen. Natürlich müssen die Teilnehmer*innen die Bereitschaft mitbringen, ihre Gewohnheiten zu durchbrechen und sich auf einen Rollenwechsel einzulassen. Seitens der Schule und der Lehrkräfte ist Engagement, Wertschätzung und interkulturelle Kompetenz vonnöten. In der darauffolgenden Diskussion wurde besonders die Bedeutung der langfristigen Gestaltung eines Projektes mit einer gemeinsamen Basis und einem gemeinsamen Ziel hervorgehoben. Für wichtig erachtet wurden auch Fortbildungen von Lehrkräften zu interkultureller Kompetenz sowie eine bessere Vernetzung, um diese Art von Projekt bekannt zu machen. Jedoch waren sich alle Anwesenden einig, dass das Projekt einen großen Beitrag leisten kann, um Schüler*innen Vielfalt als Chance näherzubringen und um Interesse und Offenheit sowie ein wertschätzendes Miteinander zu fördern.