Ein Gespräch mit Tanja Holzschuh, Biohof Holzschuh | Sind Frauen die besseren Klimapionierinnen? | 11. Dezember 2021
Sind Frauen die besseren Klimapionierinnen? | 11. Dezember 2021
Tanja Holzschuh:
Wir bringen in kaum mal 200 Jahren das Gleichgewicht der Erde durcheinander, das in über 4 Milliarden Jahren Erdgeschichte geschaffen wurde. Die Frage, ob Frauen die besseren Klimapionierinnen sind, stellt sich uns ja insbesondere deshalb, weil Frauen und Männer nicht in gleichem Maße Meinungsbildner, Richtungs- und Entscheidungsträger sind. Was hat die Landwirtschaft dazu beigetragen, die Erde aus dem Gleichgewicht zu bringen? Die industrielle Landwirtschaft hat die Abholzung der Regenwälder, die Zerstörung von Biotopen und damit das Artensterben, die Zerstörung des Bodens, den Verlust der Humusschicht, die Überdüngung und die Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel bedingt. Sie hat in anderen Teilen der Welt regionale Märkte zerstört und dadurch Destabilisierung geschaffen, mit Hunger und Landflucht zur Folge. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch Opfer: Ernteausfälle durch Dürre, Flut oder Starkregen, nachlassende Bodenfruchtbarkeit, Krankheiten bei Tieren und Pflanzen.
Und was nun? Schauen Sie sich den Weltagrarbericht an. Er wurde von der Weltbank und den Vereinten Nationen gemeinsam ins Leben gerufen. 400 Expert:innen aller Kontinente und Fachrichtungen arbeiteten vier Jahre lang zusammen an der Frage, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen sollte. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass Frauen den entscheidenden Unterschied machen. Werden Frauen auf der ganzen Welt in ihren Rechten und Möglichkeiten unterstützt, lokal Landwirtschaft zu betreiben, stabilisiert das die Region nachhaltig, der Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln steigt, die Landflucht nimmt ab. Beschäftigen Sie sich mit der indischen Wissenschaftlerin Vandana Shiva. Sie ist eine der weltweit bekanntesten Aktivistinnen, die sich für die ländliche Bevölkerung, die Rechte der Frauen, einen nachhaltigen Landbau und den Schutz des Saatguts einsetzt. In ihrem Buch „Ökofeminismus“ stellt Shiva einen Zusammenhang her zwischen der Gewalt von Männern gegen Frauen und der Gewalt der Menschen gegen die Natur. So ist auch dieses Zitat von ihr zu verstehen: „Wir können eine Zukunft beschreiten, in der Frauen uns den Weg weisen in einen friedvollen Umgang mit der Erde. Oder wir Menschen werden überhaupt keine Zukunft haben.“ Ja, Frauen können uns den Weg weisen. Das gilt aus meiner Sicht aber nur, wenn wir uns nicht Frauen zum Vorbild nehmen wie die Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna. Sie wurde für die Erfindung der Genschere ausgezeichnet. Sie beschreibt ihre Zukunftsvision so: „Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, in dem wir die Herren über die genetische Ausstattung allen Lebens sind. Schon jetzt ersetzen wir das taube, dumme, blinde System, welches das genetische Material auf unserem Planeten geformt hat, durch ein System der bewussten, absichtsvollen, von Menschen gelenkten Evolution.“ Ist das nicht schockierend? Und ist es nicht noch viel schockierender, dass ein Mensch, der so denkt, diese hohe gesellschaftliche Anerkennung erhält? Und ich sage absichtlich nicht Frau, denn sie selbst spricht ja von den Herren der Schöpfung. Frauen machen nur dann den Unterschied und bringen den Fortschritt, wenn sie die weiblichen Eigenschaften Harmonie, Mitgefühl, Nachhaltigkeit, Fürsorge den männlichen Eigenschaften Wettkampf, Überlegenheit, Dominanz, Größe, Stärke, Masse entgegensetzen.
Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, kurz ABl, setzt sich für ein ausgewogenes Verhältnis des Menschen zur Natur ein. Der arbeitende Mensch, der Bauer, die Bäuerin steht dabei im Mittelpunkt unseres Bemühens. Das Wissen der Bäuerinnen und Bauern, welches nicht nur theoretisch erworben wurde, sondern auf Erfahrungen und persönlichem Erleben beruht, hat für uns einen hohen Stellenwert. Um das Gleichgewicht der Erde wiederherzustellen, müssen wir uns dieser Art von Wissen wieder öffnen. Dazu gehören das Denken und Handeln in Kreisläufen, das Anerkennen von Grenzen. Stichwort Wachstum: Wie viele und welche Tiere passen zu meinem Standort? Welche Pflanzen und welche Sorten passen zu meinem Boden? Welchen Dünger habe ich natürlicherweise zur Verfügung und welches Futter? Im Bereich Wissen und Bildung: dem Wissen der Menschen, die mit ihren Händen arbeiten, die täglich erleben und erfahren, einen neuen, übergeordneten Stellenwert geben.
Meine Vision für die Zukunft: Landwirt:innen und Wissenschaftler:innen arbeiten gleichberechtigt zusammen und beraten verbindlich die Politik, mit dem Ziel der Ernährungssicherung im Allgemeinen und der Ernährungssouveränität im regionalen Umfeld. Der Schutz der natürlichen Ressourcen wird zur zwingenden Voraussetzung und Selbstverständlichkeit. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es insbesondere eine Ressource gibt, die auf unserer Erde noch im Überfluss vorhanden ist und das ist die menschliche Arbeitskraft. Sie immer weiter zu entwürdigen und abzuschaffen ist die falsche Antwort auf die existenziellen Fragen des Überlebens der Menschheit auf diesem Planeten. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.