Europa von unten gestalten: Machen ist wie wollen. Nur krasser!

Bericht

2016 Das Brexit-Referendum, die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und rechts-nationale und -extreme Kräfte europaweit auf dem Vormarsch. Für überzeugte Europäer ein absolutes Horror-Jahr.

Zeit Europa und die Debatte über Europa nicht mehr den Rechten zu überlassen, sondern ein starkes Zeichen für ein progressives Europa zu setzen. Doch wie schafft man das? Katja Sinkoberichtete im Forum „Europa von unten gestalten“ im Zuge der Jahrestagung 2019 „Grenzgänge: Mauern und Brücken in Politik und Gesellschaft“ der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg von ihren Erfahrungen mit der von ihr ins Lebengerufenen Initiative „The European Moment“, die europaweit mit den „Marches for Europe“ zehntausende Menschen für ein modernes Europa mobilisierte.

Europa als Landkarte

In drei Gruppen wurden dabei die Ziele, die Herausforderungen und Erfolgsbedingungen von „The European Moment“ analysiert und herausgearbeitet. Gegründet als Reaktion auf die bereits genannten politischen und gesellschaftlichen Ereignisse 2016 kristallisierte sich schnell heraus, dass man sich nicht nur GEGEN faschistische Tendenzen positionieren, sondern auch FÜR konkrete, konstruktive Reformen FÜR ein modernes, demokratisches Europa einsetzen wollte. DieseReformen, z.B. die Demokratisierung der Wahl zur EU-Kommission, sind nur zu erreichen, wenn die Zivilgesellschaft zusammengebracht wird, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern länderübergreifend, europaweit. Doch der Übergang vom „Wollen“ zum „Machen“ bringt nicht wenige Herausforderungen mit sich, insbesondere die der Wirksamkeit. In einer vorallem durch die sozialen Medien aufmerksamkeitsökonomisierten Welt sind kreative Protest- und Werbeformen unerlässlich, die mitunter sehr zeitaufwendig sind und viel Ausdauer erfordern, weshalb Teamarbeit und Aufgabenteilung von essenzieller Bedeutung sind. Die Vernetzung und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen Organisationen können so ein großes Potential an Ressourcen freisetzen. An der bisher größten Demonstration von „The European Moment“ waren so z.B. mehr als 400 Organisationen beteiligt. Die große Anzahl an Organisationen kann jedoch auch Schwierigkeiten mit sich bringen. „The European Moment“ musste sich deshalb die Frage stellen, für welche Organisationen man sich öffnet und welche Organisationen mit den Grundüberzeugungen der Bewegung nicht vereinbar sind. Eine große Anzahl an Organisationen bedeutet zudem eine schwierigere Kompromissfindung, etwa bei Pressemitteilungen oder der Formulierung von Forderungen an die Politik. Der Erfolg einer Initiative ist aber auch sehr abhängig vom Momentum. „The European Moment“ hatte dieses Momentum im Zuge der französischen Präsidentschaftswahlen 2017, bei denen mit Marine Le Pen eine rechtsextreme Bewerberin bis in die Stichwahl vordrang. Auch hier war jedoch wichtig konstruktive Kritik zu üben, das heißt gut informiert zu sein und Alternativen anzubieten, auch wenn es schwerer ist, sich für etwas einzusetzen, als bloß dagegen zu sein. Diese Alternativen und Reformideen müssen natürlich auch durch gute Öffentlichkeitsarbeit vertreten werden. Die übergeordnete Botschaft jedoch, die vom Beispiel „The European Moment“ ausgeht ist „Engagement lohnt!“. Wenn man weiß, wo man steht, sich Verbündete sucht und nicht lockerlässt, kann Großes erreichet werden.