Rechtsextremisten im baden-württembergischen Landesparlament: NPD und REP

Dossier

Der Einzug einer in Teilen rechtsextremen Partei in den Stuttgarter Landtag ist kein Novum in der Landesgeschichte. Bei der Landtagswahl 1968 erzielte die NPD im Südwesten ihr bundesweit bestes Ergebnis. Den REP gelang in den 1990er-Jahren gar zweimal in Folge der Einzug in das Landesparlament.

Das Boot ist voll

Rechtsextreme Politik wird gerne in den neuen Bundesländern verortet. Dabei feierten einst die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und die Partei Die Republikaner (REP) ihre Rekordergebnisse ausgerechnet im reichen Baden-Württemberg. In keinem anderen Parlament der Republik waren in der Vergangenheit rechtsextreme Parteien so stark wie im Musterländle. Für rechtsextreme Ideologie und Rhetorik sind eben auch die Modernisierungsgewinner*innen im Südwesten und nicht nur sogenannte Modernisierungsverlierer*innen im Osten anfällig. So erreichte die Alternative für Deutschland (AfD) bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2016 15,1 Prozent der abgegebenen Stimmen und zog damit als stärkste Oppositionsfraktion in den Stuttgarter Landtag ein. Bei der Landtagswahl 1968 erzielte die NPD mit 9,8 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis. Den REP gelang gar zweimal in Folge der Einzug ins südwestdeutsche Landesparlament: 1992 mit 10,9 Prozent und 1996 mit 9,1 Prozent.

Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

Die 1964 in Hannover gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist die langlebigste rechtsextreme Partei in Deutschland. Sie ist entstanden aus der Deutschen Reichspartei (DRP), Teilen der Deutschen Partei (DP), der Partei Gesamtdeutscher Block/Block der Heimatlosen und Entrechteten (BHE) und der Gesamtdeutschen Partei. Ihre große Zeit hatte die NPD in den 1960er-Jahren. Zwischen 1966 und 1972 war sie in sieben Landtagen vertreten. Sie erzielte bundesweit 61 Mandate in den Landesparlamenten und fast 550 kommunale Mandate. Am 28. April 1968 erreichte die NPD bei der fünften Landtagswahl in Baden-Württemberg mit 9,8 Prozent ihr bundesweit bis heute bestes Ergebnis. Als Folge zogen zwölf NPD-Abgeordnete in das Stuttgarter Landesparlament ein.

CIRCA APRIL 2014 - BERLIN: a comic figure pissing on the "NPD": Graffity against the right wing extremist party "NPD".

Die Landtagswahl fand kurz nach den „Osterunruhen“ statt, die das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 ausgelöst hatte. Am Gründonnerstag hatte der 23-jährige rechtsextreme Anstreicher Josef Bachmann, ein Leser der NS-nostalgischen „Deutschen National-Zeitung“ (DNZ), Dutschke vor der Zentrale des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am Kurfürstendamm in Berlin auf offener Straße niedergeschossen. Dutschke, Wortführer der Studierendenbewegung der 1960er-Jahre, war das Feindbild Nummer eins für alle, die die studentische Jugendbewegung als Störung und Drohung sahen. Das Attentat auf ihn war nach Meinung der meisten Beobachter*innen Hauptgrund für das gute Abschneiden der NPD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. In Stuttgart wurde die von Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) geführte Große Koalition aus CDU und SPD fortgesetzt.

Der bundesweite Aufschwung der NPD war bedingt durch eine politisch-ökonomische Doppelkrise zwischen dem Ende der Ära Konrad Adenauer (CDU-Bundeskanzler von 1949 bis 1963) und dem sozialliberalen Machtwechsel von Willy Brandt (SPD) und Walter Scheel (FDP) 1969, die sich als temporäre Orientierungskrise auswirkte. Die NPD-Erfolge verebbten mit dem zurückkehrenden wirtschaftlichen Wachstum und dank starker zivilgesellschaftlicher Gegenwehr. Bei der Bundestagswahl 1969, dem Jahr des mit 28.000 Personen höchsten NPD-Mitgliederstandes, scheiterte die Partei mit 4,3 Prozent (ca. 1,4 Millionen Wähler*innen) an der Fünf-Prozent-Hürde. Nach dem verfehlten Einzug in den Bundestag stürzten die Nationaldemokrat*innen in eine schwere Krise. Die Richtungsauseinandersetzungen verliefen zwischen nationalkonservativen, meist älteren Mitgliedern mit NS-Vergangenheit, die teilweise einen Prozess der Politikfähigkeit rechts von der Union angestrebt hatten, und den jüngeren, neonationalsozialistisch geprägten Aktivist*innen. Erschwerend für die NPD kam 1969 hinzu, dass es CDU und CSU aufgrund ihrer Agitation und Hetze gegen die Brandt‘sche Entspannungspolitik zunehmend gelang, den rechten Rand wieder stärker in ihren Reihen zu integrieren.

Formal bekannte sich die NPD zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) und zur Demokratie, ohne wesentliche programmatische Kernaussagen der „nationalen Opposition“ aufzugeben. Bei allen Landtagswahlen des Jahres 1970 scheiterte die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde und wurde für lange Zeit als Wahlpartei bedeutungslos. Die NPD verkam zur Altherren-Partei. Die Zahl der NPD-Abgeordneten in den Kommunalparlamenten Baden-Württembergs verringerte sich von 18 im Jahr 1971 auf ein Mandat im Jahr 1975. Schwerpunkt der Politik der NPD war bis Mitte der 1970er-Jahre die Agitation gegen die Ost- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung. So veranstaltete die NPD am 23. Januar 1972 vor 600 Anhänger*innen einen „Antiverzichtskongress“ in Nürtingen. Die Partei erklärte den 17. Juni 1972 zum „Kampftag für Deutschlands Einheit und Freiheit“ und veranstaltete an diesem Tag bundesweit regionale Kundgebungen, eine davon in Karlsruhe.

Im ersten, 25-köpfigen Bundesvorstand der Blut-und-Boden-Partei waren elf ehemalige Mitglieder der NSDAP, fünf weitere kamen aus der Deutschen Reichspartei oder der Sozialistischen Reichspartei. Die NPD gerierte sich als „wirkliche Opposition“, die die „wahren Patrioten“ Deutschlands zur „Wiedergeburt der deutschen Nation“ versammle.

Der baden-württembergische NPD-Landesverband wurde 1965 gegründet. Im Gegensatz zu anderen NPD-Landtagsfraktionen gehörte in Baden-Württemberg die Mehrheit der NPD-Parlamentarier der jungen Bekenntnisgeneration an.

Die baden-württembergischen NPD-Landtagsabgeordneten waren: Karl Baßler (Wahlkreis Böblingen, 1924-2013), Volkswirt, ab 30. September 1971 fraktionslos, ehemals NSDAP-Mitglied; Helmut Epperlein (Wahlkreis Pforzheim, 1913-1969), Unternehmer; Thomas Fodi (Wahlkreis Pforzheim), Nachrücker ab 17. Februar 1969; Wilhelm Gutmann (Wahlkreis Leonberg, 1900-1976), ehemals NSDAP-Mitglied, von 1933 bis 1945 Bürgermeister im südbadischen Tiengen, bis Ende 1968 Fraktionsvorsitzender und NPD-Landesvorsitzender 1965 bis 1968; Friedrich Heckmann (Wahlkreis Heidelberg); Max Knorr (Wahlkreis Lörrach), Physiker; Rolf Kosiek (Wahlkreis Heidelberg-Stadt, Jg. 1934), Physiker; Rolf Krause, (Wahlkreis Offenburg, 1934-2014), Rechtsanwalt und Notar, ab 17. Dezember 1970 fraktionslos; Friedrich Kübler (Wahlkreis Calw); Werner Kuhnt (Wahlkreis Nürtingen, 1911-2000), Handelsvertreter, ehemals NSDAP-Mitglied, Obergebietsführer der Hitler-Jugend (HJ) und ab 1938 NSDAP-Reichstagsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender 1969 bis 1972; Martin Mußgnug (Wahlkreis Reutlingen, 1936-1997), Rechtsanwalt, NPD-Landesvorsitzender Baden-Württemberg 1968 bis 1972; Peter Stöckicht (Wahlkreis Öhringen, 1930-2018), Rechtsanwalt; Reinhold Wild (Wahlkreis Crailsheim), seit dem 13. Dezember 1971 fraktionslos.

Die NPD propagierte einen völkischen Kollektivismus. Gefordert wurde eine solidarische Volksgemeinschaft, ein nationales Solidaritätsprinzip wider die „anonyme Massengesellschaft“. Durch „Systemveränderung“ sollte ein „starker Staat“ angestrebt werden. Die Integration von „Gastarbeitern“ wurde abgelehnt, da eine „Vermischung“ zum „Volkstod“ führen könne. Immer wieder verharmlosten, rechtfertigten oder verherrlichten NPD-Politiker*innen das einstige NS-Regime. Die NSDAP war am 10. Oktober 1945 vom Alliierten Kontrollrat verboten worden. Die Partei wurde in den Nürnberger Prozessen 1946 zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt. Die NPD betrieb eine Hass- und Diffamierungskampagne gegen demokratische Institutionen und politische Gegner. Heute sind die Globalisierung, der Kapitalismus und die USA Feindbilder der NPD.

Bis in die jüngste Zeit war aus dem Kreis der ehemaligen baden-württembergischen NPD-Landtagsabgeordneten Rolf Kosiek aktiv. Kosiek war über lange Jahre hinweg führender Mitarbeiter des in den 1980/90er-Jahren in Baden-Württemberg größten organisationsunabhängigen rechtsextremen Verlagskomplexes Grabert/Hohenrain (heute nur noch als Hohenrain-Verlag betrieben) in Tübingen und Bundesvorsitzender der „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP). 1960 von ehemaligen NSDAP-Funktionären und SS-Offizieren gegründet, gilt die GfP als mitgliederstärkste rechtsextreme Kulturvereinigung in der Bundesrepublik. Bücher von Kosiek tragen bezeichnende Titel wie „Deutsches Land in fremder Hand“ oder „Die Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen“. Die aufklärerische Frankfurter Schule der 1960er-Jahre, einer Gruppe von Wissenschaftlern um Theodor Adorno, Erich Fromm und Herbert Marcuse, ist Kosieks Feindbild. Ihr wirft er eine „Kampfstellung“ gegen „bewährte Grundlagen des sozialen Lebens wie die Familie oder den Staat und gegen die gemeinschaftstragenden Werte Heimat und Vaterland“[1] vor.

Alice Weidel, eine der beiden Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Bundestag und Landessprecherin in Baden-Württemberg, bläst politisch ins gleiche Horn wie Kosiek. Demnach machen sich die Adepten der „Frankfurter Schule“ daran, „mit einer Mischung aus Freud und Marx in ihrer ‚Kritischen Theorie‘ die von ihnen als Feind ausgemachte westlich-bürgerliche Kultur zu brechen, um die Grundlage für eine marxistische ‚Kulturrevolution‘ zu legen. Diskreditierung der ‚bürgerlichen‘ Familie, Früh- und Hypersexualisierung, Genderismus und Multikulturalismus sind die Früchte dieses Kulturmarxismus“, so Weidel 2018 in ihrem Gastbeitrag „Die Angst der Kulturmarxisten vor der Aufklärung und der AfD“[2] für die Rechtsaußen-Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

Zu den Gegnern von Frankfurter Schule und Multikulturalismus, den er mit kulturellem Marxismus gleichsetzt, gehört auch der norwegische Massenmörder Anders Breivik. Als ein Motiv für seine Terrortaten gab Breivik in einem 1500 Seiten umfassenden „Manifest“ namens „A European Declaration of Independence“ an, Norwegen gegen den „Kulturmarxismus“ zu verteidigen. Breivik verübte am 22. Juli 2011 die Anschläge in Oslo und auf der Insel Utoya, bei denen 77 Menschen getötet wurden.

Der ehemalige NPD-Chefideologe Kosiek ist einer der Autoren des ab 2006 erschienenen voluminösen fünfbändigen geschichtsrevisionistischen Machwerks „Der Große Wendig“ aus dem Verlagskomplex Grabert/Hohenrain. Das laut Eigenbekunden „bisher umfangreichste Sammelwerk einer Gegenöffentlichkeit zur herrschenden und offiziell geförderten Geschichtsschreibung“ umfasst Eigenangaben zufolge über 1000 „Beispiele der Richtigstellung einzelner Geschichtsvorgänge“ mit „Darlegungen historischer Fälschungen, Einseitigkeiten, unberechtigten Schuldzuweisungen an Deutsche“ vom Kaiserreich bis zur Gegenwart. Kosiek bezieht im „Wendig“ Stellung zum Thema „Gaskammer in Auschwitzer Entlausungsanlage“ und kritisiert, dass bei der Nennung des Wortes „Gaskammer“ heute sofort „auf den Holocaust geschlossen“ werde. Dies sei „ein Beispiel für die geistige Verengung, die mehrere Jahrzehnte der Umerziehung und der sprachlichen Hoheit der 68er verursachten“[3].

Bei der baden-württembergischen Landtagswahl 1972 trat die NPD nicht an, sondern rief zur Wahl der CDU auf. 1976 kandidierte die NPD erstmals wieder bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg und erzielte 0,95 Prozent (42.927 Stimmen). Damit verfehlte die NPD ihr Ziel, mindestens ein Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen. Anspruch auf staatliche Mittel (Wahlkampfkostenerstattung) bei einer Landtagswahl haben Parteien nur dann, wenn sie nach dem endgültigen Wahlergebnis ein Prozent der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben (§ 18 Abs. 4 Satz 1 PartG).

Baden-Württemberg war Gründungszentrum der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN, heute: „Junge Nationalisten“) und der NPD-Hochschulorganisation „Nationaldemokratischer Hochschulbund“ (NHB). Im Januar 1967 wurde im schwäbischen Ehningen der NHB als verlängerter Arm der NPD an den Hochschulen gegründet. In Baden-Württemberg entwickelte der NHB Aktivitäten in den Universitätsstädten Heidelberg, Tübingen und Freiburg. Im Gründungsjahr tummelten sich bei der Freiburger NPD-Studentengruppe 36 Mitglieder.[4]

Ende 1968 zählte der NHB bundesweit 17 Ortsgruppen mit rund 250 Mitgliedern. Bereits in den 1970er-Jahren verlor er an Bedeutung und litt wie die Mutterpartei an Mitgliederschwund. Der NHB ist seit Jahren bundes- und landesweit nicht mehr existent. Offiziell aufgelöst wurde er jedoch bislang nicht.

Im September 1969 wurde im nordbadischen Weinheim der JN-Bundesverband unter der Mitwirkung von Günter Deckert, Winfried Krauß und MdL Karl Ernst Lober gegründet. Die JN sind heute in Baden-Württemberg weitgehend inaktiv.

JN-Gründungsmitglied Deckert (Jg. 1940) ist sowohl der „dienstälteste“ und einer der bekanntesten Rechtsextremisten im Südwesten. Der wegen Verfassungsfeindlichkeit aus dem Schuldienst entlassene Weinheimer Gymnasiallehrer, ein rechtskräftig verurteilter und knasterfahrener Holocaust-Leugner, ist seit Jahrzehnten in rechtsextremen Zusammenhängen aktiv. Er war 1991/92 und zeitweilig 2005 NPD-Landeschef in Baden-Württemberg und amtierte von 1991 bis 1995 als Bundesvorsitzender seiner Partei. Unter seiner Führung setzte die NPD auf Bundesebene verstärkt auf ausländerfeindliche und vor allem revisionistische Themen wie die Relativierung beziehungsweise Leugnung des Holocaust. 2005 wurde Deckert wegen Störung des Parteifriedens von allen Mitgliedsrechten in der NPD ausgeschlossen; seinem Aktionismus frönt er dennoch weiterhin. Regelmäßig veranstaltet Deckert sogenannte „Tage Deutscher Gemeinschaft – Begegnung der Generationen“ im Ausflugs- und Ferienhotel „Hufhaus“ im nordthüringischen Ilfeld (Landkreis Nordhausen). Für September 2020 hatte Deckert dort Referenten zu Themen wie „Die Häftlingsselbstverwaltung in den Konzentrationslagern“ oder „Anmerkungen zur Klima-Hysterie“[5] geladen.

Vor Deckert führte (eigentlich verwaltete) der Baden-Württemberger Martin Mußgnug von 1971 bis 1990 die Bundes-NPD. In dieser Phase der Stagnation war die NPD ein Haufen Ewiggestriger ohne jegliche Ausstrahlung und ohne parlamentarische Erfolge. Nach Deckert stand der Politologe Udo Voigt bis 2011 an der Spitze der NPD. Der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Voigt war von 2014 bis 2019 Europaparlamentarier. Voigt steht für die programmatische und strategische Neuausrichtung der NPD – weg vom traditionellen Antikommunismus und hin zu einem „nationalen Sozialismus“. Voigt zeichnet auch für das „Vier-Säulen-Konzept“ der NPD verantwortlich: Mit dem „Kampf um die Köpfe“ ist die Programmatik gemeint, mit dem „Kampf um die Straße“ die Massenmobilisierung, mit dem „Kampf um die Wähler“ die Wahlteilnahme, mit dem „Kampf um den organisierten Willen“ die Einigung des „nationalen Lagers“. 2004 erzielte die NPD bei der sächsischen Landtagswahl 9,2 Prozent, 2009 schaffte sie mit 5,6 Prozent erneut den Einzug in den Dresdner Landtag, scheiterte jedoch 2014 mit 4,9 Prozent. 2007 zog die NPD mit 7,3 Prozent in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein. 2011 wurde der Erfolg mit 6,0 Prozent wiederholt. Bei der Landtagswahl 2016 scheiterte die NPD mit 3,0 Prozent.

Seit November 2014 ist Frank Franz aus dem Saarland Bundesvorsitzender der NPD. Bundesweit hat die NPD noch ca. 4.000 Mitglieder. Der baden-württembergische NPD-Landesverband mit etwa 370 Mitglieder zählt nicht zu den bedeutenden Landesverbänden.

NPD-Landesvorsitzender Janus Nowak (Jg. 1978) führt die baden-württembergischen Nationaldemokraten seit dem 51. ordentlichen Landesparteitag im Juni 2016. Der in Polen geborene Nowak ist unter anderem rechtskräftig wegen Wahlfälschung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt. Nowak ist namentlich im NPD-Verbotsantrag des Bundes­rats 2013 aufgeführt: Er habe jüdischen Insassen eines Konzentrationslagers den Status von „Kriegsgefangenen“ zugewiesen und damit ein gerechtfertigtes Vorgehen des NS-Regimes gegen diese Opfergruppe angedeutet.[6]

Die bekanntesten baden-württembergischen NPD-Landesvorstandsmitglieder sind die altgedienten Kader Jürgen Schützinger und Edda Schmidt. Der aus dem Staatsdienst entlassene ehemalige Polizeibeamte Schützinger (Jg. 1953) stand von 1978 bis 1991 und von 2005 bis 2013 an der Spitze der baden-württembergischen Nationaldemokraten. Der langjährige Kommunalpolitiker der Stadt Villingen-Schwenningen (seit 1980) und des Kreistags des Schwarzwald-Baar-Kreises (1984 – 2019) wurde 2003 für seine „kommunalpolitischen Verdienste“ mit der Silbernen Ehrennadel des Städtetags Baden-Württembergs ausgezeichnet (damaliger Präsident: Bernd Doll, CDU). 2019 machte der baden-württembergische Städtetag die Verleihung des Verdienstabzeichens in Gold mit Lorbeerkranz für 40-jährige verdienstvolle Gemeinderatstätigkeit wegen dessen NPD-Aktivitäten wieder rückgängig (Rundmail von Jürgen Schützinger vom 15. Oktober 2019).

Edda Schmidt, langjährige rassistische Brauchtumsexpertin der NPD, steht für den Blut-und-Boden-Flügel der NPD. Im April 2020 ließ sich Schmidt über den germanischen Ursprung des Osterfestes, das „alte heidnische Frühlingsfest“, aus. Die Autorin beklagt, dass die Menschen in der Stadt den „Bezug zur Natur und damit zum Sinngehalt der Bräuche verloren“ hätten, „so daß oft nur noch die Form erhalten ist.“ Dazu habe die christliche Kirche „in über tausend Jahren durch die Umformung und Verfälschung beigetragen, aber auch die Umerziehung nach 1945“. Schmidt gibt sich der Hoffnung hin, dass ein Volk „erst dann wirklich besiegt“ sei, „wenn es seine Geschichte und seine Herkunft und damit auch die Wurzeln seines Volkstums vergißt. Erst dann kann der manipulierbare Einheitsmensch geschaffen werden“.[7]

NPD-Brauchtumsexpertin Schmidt berichtet regelmäßig im NPD-Sprachrohr „Deutsche Stimme“ (DS) über „besondere Orte“ wie den Ulrichsberg (Österreich) oder den Odilienberg (Frankreich). Mehrfach trat sie als Veranstalterin von völkischen Sonnwend- und Erntedankfeiern auf und nahm an „Rudolf-Heß-Gedenkmärschen“ und braunen „Trauermärschen“ in Dresden teil. Am 9. November 2019 war Schmidt Rednerin bei der dritten Solidaritätsdemonstration der Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“ für die in Bielefeld-Brackwede inhaftierte Holocaust-Leugnerin und militante Antisemitin Ursula Haverbeck. Schmidt, rechtskräftig wegen Aufstachelung zum Rassenhass, Volksverhetzung und Verbreitung jugendgefährdender Schriften verurteilt, war von Oktober 2010 bis Februar 2012 Bundesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) und gehörte einst der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und der 2011 verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) an. Ihren parteipolitischen Werdegang startete Schmidt 1967 bei der örtlichen Hochschulgruppe der NPD-Studierendenorganisation „Nationaldemokratischer Hochschulbund“ (NHB) in Tübingen. Ihr Vater war vormals Freiwilliger der „12. SS Panzerdivision Hitlerjugend“. Im Oktober 2018 wurde sie vom rechtsextremen „Schutzbund für das deutsche Volk e.V.“ (SDV) mit dem „Hohe-Meißner-Preis“ ausgezeichnet. In der Laudatio auf Schmidt heißt es, dass die aus „einer nationalen Familie aus der Ostmark“ stammende Schmidt „sich seit über fünf Jahrzehnten für den Erhalt des deutschen Volkes in seiner vieltausendjährigen Kultur“ einsetze. Hervorgehoben wird – neben ihrem „unermüdlichem Engagement“ („Gaumädelführerin“) in der 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“, der rassistischen „Artgemeinschaft“ und der NPD – ihr „vielseitiges Wirken für das heidnische Brauchtum und die germanische Frühgeschichte in Wort und Tat.“ Mit der Verleihung des „Hohe-Meißner-Preises“ „fördert der SDV gezielt Personen, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen“, so der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern (2019)[8].

Die NPD führt seit Jahren in Baden-Württemberg nur noch ein Nischendasein. Bei der Landtagswahl 2016 erzielte sie 0,44 Prozent. 2011, zwei Jahre vor Gründung der AfD, hatte die NPD noch 0,97 Prozent erreicht.

Im September 2019 erarbeitete der NPD-Parteivorstand ein Positionspapier mit dem Titel „Neustart für die Heimat – statt ein bloßes ‚Weiter so‘“. Demzufolge will sich die NPD unter neuem Namen recyceln. Man gesteht ein, dass die NPD „an einem vorläufigen Tiefpunkt angelangt“ sei, „was Wahlergebnisse und was unsere politische Bedeutung betrifft“. Andererseits würden NPD-Forderungen noch nie so „intensiv in der Öffentlichkeit“ diskutiert – allerdings unter dem Label der AfD! Verstärkt soll auf der Tagung darüber nachgedacht worden sein, ob der Name NPD als eine „eingeführte Marke“ aufgrund von „Bedeutungslosigkeit, mangelnder Glaubwürdigkeit und mangelnder Ernsthaftigkeit“ verbrannt sei. Dazu der Parteichef Franz: „Suchen wir auf diesem Schlachtfeld ... weiterhin die Auseinandersetzung? Oder wagen wir einen Neustart, mit frischen Ideen und jawohl – auch einen neuen Namen.“ Auch unter einem neuen Namen müsse jedoch der „thematische Markenkern“ der NPD, „also der aus unserem ethnischen Volksverständnis resultierende Kampf gegen Überfremdung und Heimatverlust“ weitergeführt werden, heißt es im Positionspapier der NPD-Spitze.[9]

In einem 2013 eingeleiteten Parteiverbotsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht im Januar 2017 die Verfassungsfeindlichkeit der Ziele der NPD festgestellt, auf ein Verbot aber aufgrund der geringen Erfolgsaussichten der Partei verzichtet.

Die Republikaner (REP)

Die Republikaner (REP) wurden 1983 in München von ehemaligen Mitgliedern der CSU aus Protest gegen die Zustimmung des damaligen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß zum Milliarden-Kredit an die DDR gegründet. Nach ihrem Selbstverständnis ordnete sich die Partei politisch zwischen CDU/CSU und DVU/NPD „rechts von der Mitte“ ein. Übergänge zwischen den inhaltlichen Aussagen der REP und denen der anderen rechtsextremen Parteien waren oftmals fließend. Zeitweilig verfügte die Partei über eine ausgebaute Organisationsstruktur: „Republikanische Jugend“ (RJ), „Republikanischer Bund der Frauen“ (RBF), der „Republikanische Hochschulverband“ (RHV), die „Republikanische Mittelstandsvereinigung“ (RMV), der „Republikanische Bund der öffentlich Bediensteten“ (RepBB) sowie die „Kommunalpolitische Vereinigung“ (KPV). Zumindest in der Anfangszeit waren die Republikaner Fleisch vom Fleische der Union. Die frühere Mitgliedschaft in einer Unionspartei ist eine Gemeinsamkeit, die viele Republikaner und – heute – AfD-ler*innen teilen. Die REP verzeichneten unter ihrem Vorsitzenden Franz Schönhuber (1985 bis 1994), früherer stellvertretender Fernseh-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und ehedem Freiwilliger der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“, einige spektakuläre Wahlerfolge. Mit ihrer Konzentration auf die brisanten Wahlkampfthemen Asyl und Ausländer schien sich die in allen Bundesländern über Landesverbände verfügende Partei zeitweise zu einer ernsthaften Konkurrenz der etablierten Parteien zu entwickeln. Zentrale Anliegen des im Januar 1990 verabschiedeten Parteiprogramms waren ein „Stopp der Masseneinwanderung“, die Forderung nach einem „starken Staat“ und der Ruf nach „law and order“. Von 1992 bis 2001 waren die REP im Landtag von Baden-Württemberg vertreten. Bei der Landtagswahl 2016 verlor die Partei mit einem Stimmenanteil von 0,3 Prozent ihren Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung. Seitdem fristen die REP auch in Baden-Württemberg wie in allen weiteren Bundesländern ein Dasein als Kleinstpartei.

Bei der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 5. April 1992 erhielten die REP 10,9 Prozent der Stimmen und zogen mit 15 Abgeordneten auf Anhieb als drittstärkste Fraktion ins Parlament ein. Die Landtagswahl fand im Schatten einer heftigen Asylrechtsdebatte statt. Im Wahlkampf hatten die REP die Abschaffung des Asylrechts gefordert. Ein Slogan wurde plakatiert, den auch andere Parteien und Medien aufgriffen: „Das Boot ist voll – Schluss mit Asylbetrug“. Auf Wahlplakaten der CDU hieß es: „Asylproblem lösen, CDU wählen“. Bis zu 30 Prozent Wählerstimmen holten die damals in Baden-Württemberg 2.500 Mitglieder (bundesweit über 20.000 Mitglieder) zählenden REP in Wahlbezirken mit überdurchschnittlich vielen Armen, Arbeitern und Abstiegsbedrohten. Das Ergebnis, das selbst die Republikaner überraschte, war damals der größte Erfolg einer rechtsextremen Partei, seit die 1952 verbotene neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) bei der niedersächsischen Landtagswahl 1951 elf Prozent auf sich hatte vereinigen können. Nach Bildung der CDU-SPD-Regierung in Baden-Württemberg waren die REP die stärkste Oppositionspartei. 24 Jahre später, im März 2016, wurde wieder eine rechtsextreme Partei drittstärkste Kraft in Baden-Württemberg: Die AfD zog mit 15,1 Prozent der Stimmen in den Stuttgarter Landtag ein. Wie damals die REP setzte nun die AfD gezielt auf das Thema Zuwanderung.

Wahlen fanden am 5. April 1992 auch in Schleswig-Holstein statt. Dort zog die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) in das Kieler Landesparlament ein. Im Sommer 1992 kam es zu Übergriffen gegen Asylbewerber*innen. Rechtsextremist*innen steckten die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen in Brand, während Bürger*innen den Täter*innen applaudierten. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen stritten CDU, CSU, FDP und SPD auf Bundesebene damals monatelang über eine Änderung des Grundrechts auf Asyl. Die Stimmung in Deutschland war angespannt. In der Folge kam es am Ende des Wahljahres 1992 zum „Asylkompromiss“ zwischen den großen Parteien: Das Grundrecht auf Asyl wurde einschränkt. Mit der abnehmenden Bedeutung des Themenkomplexes Asyl kam es bei den REP zu einer auffallenden Häufung antisemitischer Äußerungen, die sich schwerpunktmäßig gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, richteten. So diffamierte Schönhuber Bubis 1994 als einen „der schlimmsten Volksverhetzer in Deutschland“. Der Inlandsgeheimdienst konstatierte in dieser Zeit eine systematische Kampagne der „Republikaner“ gegen Juden.[10]

Im Dezember 1992 beschloss die Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder, die REP bundesweit vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Von nun an fiel die Partei in der Wählergunst zunehmend zurück. Innerparteilich steckte die Partei auch in der Krise. Schönhuber sah sich zunehmender Kritik ausgesetzt, als er sich am 22. August 1994 mit dem Münchner Verleger und DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey traf, um offenbar die Möglichkeiten einer gemeinsamen Front der Rechten zu erörtern. Der Bundesvorstand setzte Schönhuber daraufhin am 1. Oktober 1994 ab. Nach kurzen juristischen Auseinandersetzungen nahm Schönhuber im Dezember 1994 beim Parteitag in Sindelfingen Abschied aus der Parteiführung. Zum Nachfolger wurde der 1955 in Stuttgart geborene Rechtsanwalt Rolf Schlierer mit 335 von 595 gültigen Delegiertenstimmen (56 Prozent) gewählt. Schönhuber trat im November 1995 aus den REP aus.

Auf der Stuttgarter Königstraße stehenWahlplakate der im baden-württembergischen Landtag vertretenden Parteien Grüne, SPD, CDU, FDP und Republikaner (l-r, aufgenommen am 7.3.96). Insgesamt 18 Parteien und neun Einzelbewerber - eine Rekordzahl - kämpfen am 24. März um die voraussichtlich mindestens 120 Mandate im Stuttgarter Landtag.
»Auf der Stuttgarter Königstraße stehenWahlplakate der im baden-württembergischen Landtag vertretenden Parteien Grüne, SPD, CDU, FDP und Republikaner (l-r, aufgenommen am 7.3.96). Insgesamt 18 Parteien und neun Einzelbewerber - eine Rekordzahl - kämpfen am 24. März um die voraussichtlich mindestens 120 Mandate im Stuttgarter Landtag.«

Am 24. März 1996 gelang den REP zum ersten und letzten Mal der Wiedereinzug in einen Landtag mit 9,1 Prozent der Stimmen (14 Abgeordnete). Dies bedeutete gegenüber der Landtagswahl 1992 einen Rückgang um 1,8 Prozent. Wie bei der Landtagswahl 1992 erreichte die Partei ihre besten Ergebnisse bei Männern und Arbeitern. Enttäuschend für die REP verlief die Oberbürgermeisterwahl am 20. Oktober 1996 in Stuttgart. Der Stuttgarter REP-Gemeinderat Dieter Lieberwirth erzielte lediglich 3,1 Prozent. Lieberwirth avancierte später zum Pressesprecher der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion.

Dass die wiederholt durch offizielle Verlautbarungen dokumentierte Abgrenzung der REP gegenüber rechtsextremen, gar neonazistischen Kreisen allenfalls taktisch motiviert war, dokumentieren unter anderem ein Referatsauftritt des langjährigen NPD-Funktionärs Jürgen Schützinger bei einer Veranstaltung des REP-Kreisverbands Biberach am 21. Mai 1999 in Ochsenhausen und die Wahlabsprache zwischen Schlierer und dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey von Ende 1998, bei Wahlen nicht mehr gegeneinander anzutreten.[11]

Der erneute Einzug der „Republikaner“ in den baden-württembergischen Landtag 1996 war ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Erstmals ist der Fraktion einer rechtsextremen Partei die Wiederwahl in ein Landesparlament geglückt (später wiederholt durch die NPD in Sachsen). In beiden Legislaturperioden bildeten die Migrations- sowie Innen- und Kriminalpolitik Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit als Opposition im Parlament. Im Bereich der Ausländer- und Asylpolitik brachte die REP-Fraktion eine Vielzahl von Anträgen und Anfragen zum Thema Einwanderer*innen und Asylbewerber*innen ein. Verstärkt wandten sich die REP-Parlamentarier auch dem Thema „Islam“ zu, kritisierten Moscheebauten und beklagten eine angebliche Gefährdung der „abendländischen Kultur“. Am Rande sei angemerkt, dass die CDU oftmals versuchte, Positionen der „Republikaner“ mit eigenen Eingaben zuvorzukommen. Die CDU-Fraktion in Baden-Württemberg war seit Einzug der „Republikaner“ in den Landtag bestrebt, in ihrem ausländerpolitischen Eifer bundesweit die Rolle des scharfen Vorreiters zu spielen. Einerseits lehnte die überwiegende Mehrheit der Fraktion eine Zusammenarbeit mit den REP ab, die diese mehrfach anboten, andererseits wurden aber deren politische Inhalte zum Teil längst übernommen. Ebenso kam es zu Fraternisierungen; so wurde Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) immer wieder im Landtag inmitten einer Traube von REP-Abgeordneten gesichtet. Auf diese Weise wurden die ausländerfeindlichen Positionen der Republikaner zunehmend gesellschaftsfähig. Schlierer, Vorsitzender der baden-württembergischen REP-Landtagsfraktion von 1992 bis 2001, appellierte beim REP-Bundesparteitag im November 1998 in Niederbayern, dass sich die Partei „nicht von den Unionsparteien rechts überholen lassen“ dürfe.[12]

2001 führte Schlierer in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“ aus: „... Und im Petitionsausschuss (des baden-württembergischen Landtags; Anm.: Maegerle) hat sich die CDU beispielsweise regelrecht darauf verlassen, daß die Republikaner anwesend sind und für die entsprechende Mehrheit sorgen.“[13]

In Sachen Fremdenfeindlichkeit pöbelte Schlierer damals im gleichen Jargon wie heutige AfD-Politiker*innen: „Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Land. Zuwanderer, die wir nicht gerufen haben, haben Deutschland zum Bürgerkriegsland gemacht. Wer Multi-Kulti sät, wird Bürgerkrieg ernten! ... Durch ihre Feigheit und Realitätsverweigerung haben die Altparteien uns diesen Bürgerkrieg ins Haus geholt“[14], so Schlierer.

Schlierer, Mediziner und Rechtsanwalt, war zugleich von Dezember 1994 bis August 2014 Bundesvorsitzender seiner Partei. Er war der einzig bekannte Landtagsabgeordnete seiner Partei in Baden-Württemberg, der vor Antritt seines Landtagsmandats einer rechtsextremen Organisation angehört hatte. Der Burschenschafter (Burschenschaft Germania), der selbst scharfe Mensuren schlug, war am 7. Mai 1974 der NPD-Studierendenorganisation „Nationaldemokratischer Hochschulbund“ (NHB) beigetreten.[15] In den Jahren 1985 bis 1989 engagierte sich Schlierer beim unionsnahen Thinktank „Studienzentrum Weikersheim“ (SZW), das 1979 vom früheren CDU-Ministerpräsidenten Hans Filbinger, vormals NS-Marinerichter, ins Leben gerufen wurde. Von Juni 1987 bis Juli 1989 gehörte Schlierer gar dem SZW-Kuratorium als Mitglied an.[16]

Mit Sympathie begegnet der im Juni 2018 aus den REP ausgetretene Schlierer heute der AfD. Im Mai 2019 trat er bei der Kommunalwahl in Stuttgart auf dem letzten Listenplatz auf der AfD-Liste an, wurde jedoch nicht in das Kommunalparlament gewählt. Zuvor leitete Schlierer im September 2016 die Gründungsversammlung des AfD-nahen „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und Bürgerlichen Freiheiten“. Schlierer hatte sowohl die rechtliche Beratung als auch die Versammlungsleitung bei der Vereinsgründung inne.[17]

Anlässlich der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 hatte der Verein in dem bevölkerungsreichsten Bundesland rund 2000 Werbeflächen gemietet und 2,6 Millionen Exemplare der Wahlkampfzeitung verteilt, mit Texten über „gierige Flüchtlinge“ und „libanesische Banden“ in Essen. Auf den Plakaten stand: „Jetzt AfD wählen.“[18]

Die baden-württembergischen REP-Landtagsabgeordneten waren: Bernhard Amann (1993 Nachrücker für Willi Auer; 1994 aus Fraktion und Partei ausgetreten), Willi Auer (1992 – 1993), Rudolf Bühler (1992 – 1996), Alfred Dagenbach (1996 – 2001), Ulrich Deuschle (1992 – 2001), Richard Eckert (1992 – 1996), Egon Eigenthaler (1996 – 2001), Eduard Hauser (1996 – 2001), Michael Herbricht (1992 – 2001), Josef Huchler (1996 – 2001), Christian Käs (1996 – 2001), Lothar König (1992 – 2001), Wolf Krisch (1992 – 2001), Liane Offermanns (1992 – 1996), Klaus Rapp (1992 – 2001), Max Reimann (1992 – 1996), Karl-August Schaal (1992 – 1996), Rolf Schlierer (1992 – 2001), Alexander Schonath (1996 – 2001), Horst Trageiser (1992 – 1996), Heinz Troll (1992 – 2001), Rolf Wilhelm (1992 – 2001).

Bei der Landtagswahl 2001 scheiterten die „Republikaner“ mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Damit verloren die REP gegenüber der Landtagswahl von 1996 mit 4,7 Prozentpunkten mehr als die Hälfte ihrer Anhänger. Mit der Auflösung der REP-Landtagsfraktion Ende Mai 2001 büßte der bislang erfolgreichste und wichtigste Landesverband seine Ausnahmestellung ein.

Von den einstigen REP-Landtagsabgeordneten sind – abgesehen von Rolf Schlierer – lediglich Alfred Dagenbach und Ulrich Deuschle noch öffentlichkeitswirksam politisch aktiv. Dagenbach, bislang „Pro Heilbronn“-Stadtrat in der Großstadt Heilbronn, wechselte im Januar 2020 zur AfD-Fraktion. Deuschle, REP-Landesvorsitzender Baden-Württemberg, wurde 2019 bei den Kommunalwahlen als REP-Kreistagsabgeordneter von Esslingen in seinem Mandat bestätigt. Zuvor war in Esslingen eine „gemeinsame starke Liste“ mit der AfD gescheitert, weil „der AfD-Kreisverband Zusagen und Vereinbarungen nicht eingehalten hat“, erklärte Deuschle.[19]

Gemeinsamkeiten von AfD und REP

Die Wahlerfolge der AfD heute und der „Republikaner“ damals[20] haben eine Gemeinsamkeit: steigende Flüchtlingszahlen. Beide Parteien setz(t)en gezielt auf das Thema Zuwanderung. Laut dem Bundesamt für Migration stellten im Jahr 2016 fast 750.000 Menschen einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. 1992 waren es knapp 440.000 Menschen. Eine weitere Gemeinsamkeit, die AfD und „Republikaner“ teilen, ist die frühere Mitgliedschaft in einer Unionspartei. Denn so wie abtrünnige CSU-Politiker 1983 die Republikaner ins Leben riefen, waren bei der Gründung der AfD 2013 enttäuschte CDUler dabei. Ebenso spiel(t)en Verlustängste bei der Wahl der REP und der AfD eine große Rolle. Im Vergleich mit den REP ist die AfD jedoch wesentlich erfolgreicher. Während die AfD in allen 16 Landtagen, im Bundestag und im Europäischen Parlament sitzt, haben es die Republikaner so weit nie geschafft. Sie saßen für zwei Legislaturperioden im baden-württembergischen Landtag und für jeweils eine im Berliner Abgeordnetenhaus und im Europaparlament. Bei der Bundestagswahl 1990 verpassten sie den Einzug ins Parlament. Eigen ist beiden Parteien, dass sie sich als Kämpfer gegen das politische „Establishment“ und die politisch-mediale „Elite“ gerieren. Durch Taktik und aggressive Rhetorik wird die Arbeit der Parlamente und vor allem das politische Klima beeinflusst. Zukunftsängste der Bevölkerung werden aufgriffen und für Agitation und Demagogie genutzt, ohne ernsthaft nach echten Problemlösungen zu suchen.

Abschließend sei der ehemalige REP-Vorsitzende Schlierer zitiert, der im Sommer 2016 in einem Interview mit KONTEXT:Wochenzeitung sagte:

„Die Positionen der AfD sind in weiten Teilen identisch mit jenen der Republikaner.“[21]



Literatur

Neubacher, Bernd (Dissertation): Die Republikaner im baden-württembergischen Landtag – von einer rechtsextremen zu einer rechtsradikalen, etablierten Partei. Universität Stuttgart 2001

Oppelland, Torsten: Nationaldemokratische Partei Deutschlands. https://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/thueringen-2019/296649/npd (aufgerufen am 22.06.2020)

Schmid, Harald: „Man kann wieder wählen!“ Aufstieg und Fall der NPD 1964–1969. In: Deutschland Archiv, 1/2007, S. 122–130

Wendland, Michael: Baden-Württemberg – Zentrum der Nationaldemokraten. In: Apfel, Holger: „Alles Große steht im Sturm“. Tradition und Zukunft einer nationalen Partei. Stuttgart 1999, S. 282–287

 

[4] NPD-Hochschulgruppen: Heil Hitler. In: Der Spiegel, 5/1967, S. 37

[7] https://avalon-gemeinschaft.ch/?p=1130 (aufgerufen am 20.04.2020)

[11] Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg 1999, S. 47

[12] Deutsche National-Zeitung, 49/1998, S.5

[13] Interview mit Rolf Schlierer. In: Junge Freiheit, 12/2001, S.6

[14] Der Republikaner, 1-2/1999

[15] Pressemitteilung der NPD-Bundespressestelle München, Karl.-H. Sendbühler, vom 15.12.1994

[16] Archiv-Notizen des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, Februar 2002

[20] An dieser Stelle soll ausschließlich ein Vergleich zwischen den Wahlerfolgen der REP und der AfD gezogen werden. Der Einzug der NPD in den Stuttgarter Landtag 1968 fand unter anderen gesellschaftspolitischen Gegebenheiten statt.