Wurzeln

Dieses Gedicht schließt die Reihe ab. Es gibt die Verflechtung der Leben der Gastarbeitergeneration und ihrer Nachfahr:innen, insbesondere im Hinblick auf den Rassismus und die Identitätsfindung, wieder.

Es ist als eine nachdenkliche, kraftvolle Anklage von Rassismus und gegen die auch noch nach 60 Jahren gestellten Frage an migrantisierte Menschen nach ihrer Herkunft entstanden — woher kommst du wirklich?

Die in diesem Video eingesetzten Zeichnungen dienen als Storyboard zur Schreibvorbereitung beim Entstehen vieler meiner Texte.


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Schatten von Bäumen auf dem Asphalt

Die Koffer auf dem Schrank

Zeichnung eines Koffers auf dem Schrank

Gastarbeiter:innen waren auch jene, die ihre Koffer auf ihrem Schrank aufbewahrten, weil sie planten, jederzeit zurück zu kehren. Doch lange lagen die Koffer auf den Schränken. Überdeckt mit spitzenumrandeten Decken, bis sie irgendwann in die Keller geräumt wurden, weil es keine Rückkehr mehr gab.

Auch dieses Motiv ist fast schon ikonisch und findet sich in den Fotografien von Candida Höfer, die Gastarbeiter:innen in den 1970er Jahren in NRW fotografierte. Mehr über ihre Kunst findest zu z. B. auf der Seite des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe.

Meldung der Augsburger Zeitung

Zeichnung einer Frau mit einem Koffer auf dem Kopf

Max Frischs Zitat von 1965 „Es wurden Arbeiter gerufen, doch es kommen Menschen“ findet sich hier auf einer Seite der Augsburger Zeitung vom 6. Oktober 1972 zwischen Meldungen um Wohnungsknappheit, Rassismus und miserablen Arbeitsbedingungen von Gastarbeiter:innen. Dieses Foto habe ich abgezeichnet und verfremdet.

Gastarbeiterin mit Koffer auf dem Kopf

Sie symbolisiert die häufig vergessenen Frauen, die als Arbeitskräfte kamen und oft für Fließbandarbeit und Nähereien eingesetzt wurden. Doch auch für körperliche harte Tätigkeiten, wie etwa in der Stahlindustrie, wurden Gastarbeiterinnen beschäftigt. Dies ist ebenfalls eine Zeichnung eines Pressefotos. Die Zartheit des Gesichtes dieser Frau hat mich berührt und auch ihre für den ländlichen Raum in der Türkei typische Strickweste und Kleidung bilden in der Symbolik eine Ausnahme in der Darstellung von Gastarbeiterinnen.

Radiogerät

Diese Zeichnung symbolisiert die Sehnsucht nach dem Klang der eigenen Muttersprache. Das Bild des Radios steht historisch hier auch konkret für die WDR Radiosendungen, die es für Gastarbeiter:innen in ihren Muttersprachen gab. Die türkischsprachige Version hieß Köln Radyosu (in etwa: Radio Köln) und wird seit 1964 bis heute gesendet. Diese Sendung lief bei uns zuhause und dabei durfte niemand einen Mucks machen.

Das klassische Schwarz-Weiß-Foto des Gastarbeiters mit Koffer

Gezeichneter Mann mit Koffer in der Hand

Dieses beinah ikonische Foto, das ich hier gezeichnet habe, ist meines Erachtens auch das Bild des Gastarbeiters, das in der kollektiven Vorstellung in Deutschland vorherrscht. Es gibt kaum Bilder davon, was aus diesen Menschen wurde, wie sie lebten, arbeiteten, alterten und starben. Eine Internetrecherche für „Gastarbeiter“ ergab Dutzende schwarz-weiß Fotos von jungen Männern mit Schnurrbärten und Koffern, die sich an den Bahnhöfen Deutschlands drängen.

Koffer-Reihe mit Namen aus der Türkei, Italien, Spanien, Griechenland

Dieses Motiv symbolisiert die Reise der Arbeiter:innen, meist mit dem Zug zum Bahnhof München, von wo aus sie über die gesamte Republik „verschickt“ wurden.

Weinende Person am Auto

Das ist eine prägende Erinnerung an Rückreisen aus den „Heimatorten“, wenn die dortigen Eltern, Freunde und Verwandten bei der Verabschiedung weinten.

Frau, die an einem Auto steht und durch das Fenster in das Auto hineinsieht.

Passfoto mit Einreisestempel

Dies ist eine Zeichnung des Passfotos von mir und meiner Mutter bei der Einreise in die BRD.

Briefumschlag mit Luftpostzeichen und Kassette

Briefe an und von Zuhause waren ein wichtiges Kommunikationsmittel. Sie wurden sowohl im Herkunftsland als auch in Deutschland oft vor der ganzen Familie und den Freund:innen vorgelesen.

Zeichnung einer Frau mit einem Koffer auf dem Kopf

Da es manchmal vorkam, dass nicht alle lesen und schreiben konnten, nahmen die Eltern, meine Großeltern oder andere Verwandte ihre Nachrichten auf Kassette auf und sandten diese nach Deutschland. So ging eine Kassette, auch um die Stimme der anderen zu hören, von Deutschland zurück in die Türkei.

Brennendes Fachwerk

Zeichnung eines brennendes Hauses

Diese Zeichnungen stehen für den rassistischen Brandanschlag am 29. Mai 1993 in Solingen. Einen Kurzprosa-Text von mir dazu findest du auf dieser Seite.


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