Erklärung zur Listung der Heinrich-Böll-Stiftung als „unerwünschte Organisation“ in Russland

Erklärung

Das russische Justizministerium hat die Heinrich-Böll-Stiftung zur „unerwünschten Organisation“ erklärt und damit die Arbeit der Stiftung in Russland kategorisch verboten.

Lesedauer: 2 Minuten

Nachdem im April 2022 die Vertretungen aller deutschen politischen Stiftungen in Russland durch die zwangsweise Streichung aus dem Organisationsregister zunächst nur aufgelöst worden waren, bedeutet die heutige Listung als „unerwünschte Organisation“ ein kategorisches Verbot jeder Tätigkeit inner- und außerhalb Russlands mit russischen Partner:innen. Mit der heutigen Listung als „unerwünschte, ausländische Organisation“ sind unkalkulierbare Strafandrohungen für russische Staatsbürger:innen verbunden, die offiziell Verbindungen zu uns haben – innerhalb und außerhalb Russlands.

Die Entscheidung der russischen Behörden kann somit faktisch auch über ihre eigenen Landesgrenzen hinaus ihre repressive Wirkung entfalten. Seit dem Verbot von vier deutschen Nichtregierungsorganisationen im letzten Jahr und der Zwangsauflösung unserer wichtigsten und langjährigsten Partnerorganisation Memorial im Dezember 2021 mussten auch wir mit diesem Verbot rechnen. Daher haben wir zum Schutz unserer Mitarbeiter:innen und Partner:innen entsprechende Vorkehrungen getroffen.

Damit geht das über 30-jährige Engagement der Stiftung in Russland zu Ende. In diesen drei Jahrzehnten haben wir ein dichtes Netzwerk von Partner:innen in der russischen Zivilgesellschaft aufgebaut und gemeinsam an der Aufarbeitung europäischer Zeitgeschichte, an umwelt- und klimapolitischen Fragen, an unabhängiger Sozialforschung und an der Emanzipation von Frauen und benachteiligten Gruppen gearbeitet. Wir haben mit unseren Partner:innen an der Vision eines freien, demokratischen Russlands festgehalten, das im Frieden mit seinen Nachbarn lebt und seinen Platz im „gemeinsamen europäischen Haus“ findet. Der Dialog und die gemeinsame Verständigung zwischen russischen und deutschen/europäischen Akteur:innen stand im Zentrum dieser Arbeit.

Leider hat die russische Führung unter Präsident Putin das Land seit vielen Jahren in eine entgegengesetzte Richtung gesteuert. Seit über zehn Jahren werden unabhängige Medien und Forschungseinrichtungen behindert, werden unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen drangsaliert und immer mehr von ihnen zu „ausländischen Agenten“ erklärt. Der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine machte den Zusammenhang zwischen ungebremster Repression nach innen und enthemmter Aggression nach außen auch für die letzten Zweifler offensichtlich.

Von unserer Seite aus werden wir im Rahmen des Möglichen versuchen, die Kommunikationskanäle offen halten -  zu allen, die mutig, kreativ, standhaft und überzeugt für ein anderes, friedliches und demokratisches Russland arbeiten.

Für die gesamte Heinrich-Böll-Stiftung:

Ellen Ueberschär, Imme Scholz, Antonie Nord, Walter Kaufmann, Stefanie Harter


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de