Ein Gespräch mit Angelika Stahl, GLS Bank | Sind Frauen die besseren Klimapionierinnen? | 11. Dezember 2021
Weiter geht's mit den Klimapionierinnen als Mittagspausen-Gespräch am 14.7. um 12:30 Uhr
Ulrike Röhr:
Angelika Stahl leitet den Bereich Vermögensmanagement und Stiftungsbetreuung bei der GLS Bank. Sie ist seit 2010 bei der GLS Bank, wie sie selbst sagt, überzeugte Nachhaltigkeits-Bankerin und ist darüber hinaus als Dozentin für die Fachrichtung Bank an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg tätig.
Angelika Stahl:
Vielen Dank Frau Röhr und einen guten Abend. Ich würde Sie gerne auf eine kleine Reise mitnehmen und bitte Sie einmal, die Augen zu schließen. Ich habe keine Folien dabei, aber eine kleine Geschichte: die Reise des Geldes.
Und zwar, denken Sie mal darüber nach: Holen Sie Ihren Geldbeutel und schauen Sie mal, was da so drin ist. Vielleicht Euros, vielleicht auch eine Karte, und damit gehen Sie mal in den Supermarkt. Da kaufen Sie ein Produkt ein, das Ihnen gefällt, das Sie jetzt kaufen würden. Stellen Sie sich dieses Produkt vor und überlegen Sie sich: Was ist denn da mit Ihren Euros produziert worden? Das ist, glaube ich, noch relativ einfach. Und dann ist aber die Frage: Wie oder wo? Reisen wir jetzt mal ganz weit weg. Ich weiß nicht, wo Sie jetzt hinreisen. Wo ist es denn produziert worden und wer hat es produziert? Und unter welchen Rahmenbedingungen haben die Menschen das Produkt produziert? Und welches Einkommen bekommen denn die Menschen, die da am Ende der Lieferkette stehen? Und jetzt schauen Sie mal auf Ihr Konto, da liegen vielleicht auch ein paar Euros drauf. Was passiert eigentlich mit diesen Euros? Gerne sagt man ja „meine Bank arbeitet mit meinem Geld“ und „es vermehrt sich hoffentlich, die Bank vermehrt mein Geld“. Aber was macht sie denn eigentlich wirklich damit, die Bank?
Sie investiert das Geld, zum Beispiel in Kredite. Und an wen werden die Kredite gegeben? Zum Beispiel an das Unternehmen, das Ihr Produkt produziert hat, das, was Sie sich gerade vorgestellt haben. Aber auch ganz andere Dinge, das können Kohlekraftwerke sein, das können Krankenhäuser sein, das können Waffen sein, das können Immobilien sein. Und da ist ja die Frage: Wer entscheidet denn über die Unternehmen, die da finanziert werden? Das sind die Mitarbeitenden der Banken. Von der Marktfolge spricht man da im Fachjargon der Banken. Und strategisch verantwortlich dafür ist der Vorstand einer Bank oder die Vorstände. Vorständ:innen sage ich jetzt auch ganz bewusst nicht. Stellen Sie sich mal diesen Vorstand oder diese Vorstände vor, und ich gebe Ihnen einen Tipp - stellen Sie sich einen adrett gekleideten, weißen Mann vor, der Thomas oder Michael heißt. Damit sind Sie schon ganz nah an der Wahrheit, denn 90 bis 95 % der Bankvorstände über alle Bankengruppen hinweg sind Männer. Und was noch dazu kommt, das ist zwar nicht im Bankenbereich, aber das sind die DAX Vorstände: bis 2018 gab es mehr Thomase und Michaels in DAX-Vorständen als Frauen. Beachtlich.
Und jetzt kommen wir zur Klimakrise. Für die Klimakrise hat die Finanzwirtschaft, das können Sie sich jetzt nochmal besser vorstellen, eine herausragende Bedeutung. Die EU hat berechnet, dass in den nächsten zehn Jahren jährlich 180 Milliarden Euro zusätzlich an Investitionskapital benötigt werden, um die Energie- und Klimaziele des Pariser Weltklimavertrags bis 2030 zu erreichen. Und ein großer Teil dieses Kapitals soll von privaten Kapitalgebern, also Banken, Pensionskassen, oder Versicherungsgesellschaften zur Verfügung gestellt werden. Und eins ist sicher - Geld ist da. Das Geldvermögen der Deutschen beträgt im Moment 7,3 Billionen Dollar, 7300 Milliarden Euro. Und nur ein Viertel davon liegt in Investmentfonds, in Aktien und in Schuldverschreibungen. Der Rest liegt entweder als Einlagen auf Bankkonten, das war das, was wir uns gerade vorgestellt hatten. Oder er liegt bei Versicherungen, in der Altersvorsorge oder, oder, oder. Über drei Viertel der 7,3 Billionen Dollar wird also von einer sehr homogenen Gruppe von Menschen entschieden, nämlich von weißen Männern mit dem Namen Thomas oder Michael. Und die Frage ist: Ist das zeitgemäß? Und ich würde sagen: Nein, natürlich nicht. Und es entspricht auch überhaupt nicht den Herausforderungen, es wird auch überhaupt nicht den Herausforderungen gerecht, die wir im Moment haben, die nämlich sehr komplex sind.
Ich habe mich schwergetan, tatsächlich: „Sind Frauen die besseren Klimapionierinnen?“. Denn da gibt es natürlich eine wichtige Frauenperspektive. Aber am Ende brauchen wir Diversität. Und das sind eben nicht nur Frauen und Männer, sondern noch ganz viele andere Perspektiven, um überhaupt diesen Herausforderungen gerecht werden zu können. Und dafür muss ganz viel getan werden, das ist vollkommen klar. Vielen Dank.