Frauen haben das Recht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob sie Mutter werden wollen oder nicht. Internationales Recht verpflichtet auch Deutschland, Zugang zu Angeboten der Familienplanung, zu Information und Beratung sowie zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu bieten.
Hier ist der Schwangerschaftsabbruch jedoch immer noch im Strafgesetzbuch geregelt und kein legitimer Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Damit ist er mit einem Tabu belegt, das ungewollt schwangere Frauen belastet und zunehmend Ärzt*innen abhält, überhaupt noch Schwangerschaftsabbrüche anzubieten.
Die Entscheidung, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, ist eine sehr private Lebensentscheidung, die gleichzeitig in besonderer Weise staatlich reglementiert und gesellschaftlich sanktioniert ist. Die Veranstaltung rückt die gesellschaftliche und politische Verantwortung im Umgang mit betroffenen Frauen und Ärzt*innen, die Abbrüche vornehmen, in den Blick.
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch, der nicht nach kriminologischer oder medizinischer Indikation vorgenommen wird, nach dem Strafgesetzbuch grundsätzlich rechtswidrig. Er ist jedoch straffrei, wenn die Frau sich zuvor in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonflikt- beratungsstelle beraten lässt und eine Wartezeit einhält. Harte und langwierige Auseinandersetzungen in den 1970ern und den 1990er Jahren gingen dem voraus. Der im Schwangerschaftskonfliktgesetz von 1995 geregelte Kompromiss, der bei strafrechtlicher Einordnung gleichzeitig Bedingungen für die selbstbestimmte Entscheidung von ungewollt Schwangeren verankerte, ermöglicht Frauen im Konflikt medizinisch sichere Schwangerschaftsabbrüche und Schutz vor der Strafverfolgung.
Auch internationale Menschenrechtsnormen und –standards verpflichten Deutschland, Zugang zu Angeboten der Familienplanung, zu Information und Beratung sowie zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu schaffen. Seit der UN-Bevölkerungskonferenz 1994 gelten reproduktive Rechte und Gesundheit als Menschenrechte: Jeder Mensch hat das Recht, selbstbestimmt und frei über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu entscheiden. Hierzu gehören ausdrücklich die freie Entscheidung zu Elternschaft, das Recht über die Anzahl und den Zeitpunkt der Geburt der Kinder zu entscheiden, sowie das Recht auf die dafür nötigen Informationen, Kenntnisse und Mittel.
Mit dem Prozess gegen die Ärztin Kristina Hänel 2017 trat scharf ins öffentliche Bewusstsein, wie tabuisiert Schwangerschaftsabbruch in Deutschland dennoch nach wie vor ist. Die Ärztin hatte lediglich auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt - nach § 219a StGB bereits „Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft“ und nicht zulässig. Dies trägt zur Verschlechterung der Versorgungslage bei: Immer weniger Ärztinnen und Ärzte führen Schwanger- schaftsabbrüche durch. Das Tabu, dem das Thema Schwangerschaftsabbruch unterliegt, wirkt weit in die Strukturen hinein. „In Baden-Württemberg fehlen bislang selbst grundlegende Daten, mit deren Hilfe ein bedarfsgerechtes Angebot gesteuert werden könnte“, so Ruth Weckenmann, Vorsitzende von pro familia Baden-Württemberg, die auf den Auftrag des Landes für die Versorgungssicherung hinweist.
Die Verortung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht bringt mit sich, dass die medizinische Dienstleistung Schwangerschaftsabbruch kein legitimer Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung ist. Dies muss sich aus Sicht von pro familia und der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg ändern.