„Das Netz“ ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch noch immer ist schnelles Internet vor allem auf dem Land nicht überall verfügbar. Dabei bietet die Digitalisierung Chancen, Distanzen zu überwinden.
Das Internet ist die Grundlage der digitalen Welt. Und je weiter die Menschen ihre persönlichen und beruflichen Aktivitäten ins Digitale verlagern, desto stärker wird die Verfügbarkeit eines leistungsfähigen Internetzugangs zur Grundvoraussetzung für gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Teilhabe. Von digitalen Bildungs- und Informationsangeboten über Gesundheits- und Verwaltungsdienstleistungen bis hin zum Arbeiten im Home-Office: Die Zugänglichkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit der digitalen Netze ist eine gesamtgesellschaftliche Infrastrukturfrage der Zukunft.
Die Notwendigkeit für den Netzausbau in Deutschland, der seit 2009 durch die sogenannte „Breitbandstrategie“ der Bundesregierung vorangetrieben wird, ist politischer Konsens. Dies zeigt auch die Debatte um ein Recht auf schnelles Internet für alle: Mit der bevorstehenden Reform des Telekommunikationsgesetzes sollen Netzbetreiber in die Pflicht genommen werden, ihre Netze flächendeckend auszubauen. Bisher lief der Ausbau schleppend. Von den staatlich vorgesehenen 11 Milliarden Euro für den Gigabit-Netzausbau sind zwar 6,6 Milliarden Euro bereits gebunden, aber bis Mitte 2020 lediglich 570 Millionen Euro abgeflossen.
Dabei besteht unumstritten Handlungsbedarf. In einem EU-Vergleich für das Jahr 2019 lag Deutschland bei der Verbreitung von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen auf Platz 21 von 28. Für eine intensive Nutzung moderner Anwendungen wie Videostreaming, digitaler Unterricht, vernetztes Arbeiten oder Telemedizin werden die bestehenden Netze schon mittelfristig nicht mehr genügen.
Ein Engpass der Datenverbindung ist dabei, welche Technologie auf der sogenannten „letzten Meile“ verwendet wird – also auf der Strecke vom nächstgelegenen Verteilerkasten zum einzelnen Haushalt. Breitbandnetze können aus Kupfer-, Kabelfernseh- oder Glasfaserleitungen bestehen, in der Regel kommt ein Mix verschiedener Technologien zum Einsatz. Ursächlich für die Defizite der Netzqualität in Deutschland ist der große Anteil an Kupferkabeln auf der letzten Meile. Diese wurden im Rahmen des Breitbandausbaus lange gefördert, um bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen. Erst 2018 änderte die Bundesregierung ihre Strategie.
Gut Verbunden: Wege in die vernetzte Gesellschaft
Was lange zeitgemäß erschien, stößt inzwischen in vielen Regionen an seine Grenzen. So ist der Bedarf an Übertragungskapazitäten deutlich höher als die Leistungsfähigkeit der Kupferkabel. Für eine zukunftsfähige kabelgebundende Netzinfrastruktur wäre die direkte Anbindung der Haushalte an das Glasfasernetz sinnvoll, das aber bislang nur für gut 10 Prozent der Haushalte verfügbar ist. Dies erweist sich vor allem in ländlichen Gebieten als problematisch, wo der weiträumige Netzausbau und die damit verbundenen Tiefbauarbeiten teuer sind.
Neben leitungsgebundenen ermöglichen auch mobile Technologien wie LTE – auch als 4G bekannt – und insbesondere 5G hohe Datenübertragungsraten. Die Frequenzen für 5G wurden im Juni 2019 für rund 6,6 Milliarden Euro versteigert, unter anderem mit der Auflage, dass bis 2022 immerhin 98 Prozent aller Haushalte je Bundesland sowie sämtliche Autobahnen, wichtige Bundesstraßen und Schienenwege mit Übertragungsraten von mindesten 100 Mbit/s versorgt werden müssen. Nun planen vier Netzbetreiber den Aufbau eigener 5G-Netze in Deutschland.
Wegen der geringen Reichweite der 5G-Frequenz eignet sich die neue Technologie jedoch nur bedingt für eine Versorgung mit schnellem Internet in der Fläche. Daher sollten Breitband- und Mobilfunkausbau grundsätzlich zusammen gedacht werden. Auch geht der Aufbau der 5G-Infrastruktur mit einem erhöhten Energie- und Rohstoffverbrauch einher.
Neben technischen spielen auch politische Aspekte eine wichtige Rolle, wie die öffentlichen Debatten um die Nutzung von Technologie nichteuropäischer Mobilfunkkonzerne beim 5G-Netzausbau und um die digitale Souveränität Europas zeigten. Hier ist die Frage entscheidend, ob Unternehmen vom Netzausbau ausgeschlossen werden sollten, um einen Zugriff auf digitale Infrastrukturen zu verhindern – denn diese sind für die Wirtschaft, vor allem aber für die öffentlichen Infrastrukturen wie Wasser-, Energie-, Verteidigungs- und Gesundheitssysteme, von elementarer Bedeutung. In der Kontroverse geht es letztlich um die digitale Souveränität Europas. Der zügige 5G-Ausbau, der eine hohe Relevanz für die wirtschaftliche Entwicklung Europas hat, steht hier in Konflikt mit potenziellen Sicherheitsrisiken für kritische Infrastrukturen und mögliche wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten.
Nichtsdestotrotz gilt 5G als Schlüsseltechnologie, weil es drahtlose und sehr viel schnellere Übertragungsraten als bisher ermöglicht, die gerade für die Industrie von entscheidender Bedeutung sind. Die Qualität des künftigen 5G-Netzes hat dadurch eine zentrale Bedeutung für den Digitalstandort Deutschland. Denn trotz politischer Einigkeit über den Bedarf hängt Deutschland beim Ausbau des Hochgeschwindigkeitsinternet hinterher.
Problematisch sind vor allem regionale Unterschiede: Mitte 2019 konzentriert sich die Verfügbarkeit von Gigabit-Anschlüssen auf Großstädte und einzelne Ballungsgebiete. Ländliche Regionen sind hingegen unterversorgt. Dies gilt auch für das mobile LTE-Netz. In städtisch geprägten Gebieten werden 99,7 Prozent, in ländlichen Regionen nur knapp 90 Prozent der Haushalte abgedeckt.
Diese Ungleichheit in der Versorgungsqualität ist nicht nur ein Problem der Gegenwart: Fehlen gute Netze, verstärken sich ohnehin bestehende Abwanderungsprozesse. Die heutigen Infrastrukturdefizite gefährden also über Jahrzehnte hinaus die Chancen von abgehängten Regionen. Die flächendeckende Mobilfunkversorgung und ein leistungsfähiges Breitband-Netz gehören daher zum Kernbestand einer zukunfts- und teilhabeorientierten Daseinsvorsorge. Sie sind ein notwendiger Schritt für die digitale Teilhabe am sozialen und politischen Leben – für alle und überall im Land.
Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de