[Pause]

Ein Film von Jonas Kieser und Roman Neugebauer

 [Pause] erzählt vom Lockdown aus der Perspektive eines Jazzmusikers mit Gehörproblemen. Ausgehend von einem Live-Auftritt befragt der Film Chancen und Risiken der Abkehr vom Status quo. Der Musiker ist dabei nicht nur Teil einer spezifisch betroffenen Gruppe, sondern ein seismographisches Individuum, an dem die kollektive Isolation besonders sichtbar wird.   [Pause] wirft die Frage auf, wie wir und unsere Kunst aus der Pandemie hervorgehen werden.

Kurzfilmprojekt Neue Normalität. Leben in der Pandemie.

Zum Film | Mit Rainer Leweling, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg und Jonas Kieser und Roman Neugebauer.

 

Pausenzeichen

Die sensible Künstlerseele Ahmed verwirklicht in Stuttgart ihren Traum vom Jazzmusikstudium. Ein quälender Tinnitus stellt sich ihm in den Weg und droht alle seine musikalischen Ambitionen zu begraben. Kann die durch den Corona bedingten Lockdown einkehrende Ruhe seine Gehörkrankheit lindern und ihm zu neuer Lebendigkeit verhelfen oder raubt ihm das Runterfahren der Kulturbranche jegliche Existenzgrundlage?

 

Nach zwei Jahren in Baden-Württemberg wirkt eine Karriere als Musiker zum Greifen nah, jedoch schleicht sich ein perfider Feind in Ahmeds Leben. Er ist zwar nicht sichtbar, stellt sich aber seinem musikalischen Schaffen in den Weg und droht seine Träume platzen zu lassen: Ahmed leidet unter Tinnitus. Das beißende, hochfrequente Rauschen in seinen Ohren ist ein zermürbender Begleiter seines Alltags. Unter Lärmeinwirkung verschlimmert sich sein Leiden dramatisch. Auf der Bühne muss er die Zähne zusammenbeißen, bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Da ihm die Ärzte nicht weiterhelfen konnten, ist die Gehörkrankheit Teil seiner Lebenswirklichkeit geworden.

Für Juni 2020 ist das Abschlusskonzert seines Studiums im Bix Jazzclub geplant. Ahmed quält sich durch die Proben. Bei seinem bis dahin wichtigsten Auftritt will er Eigenkompositionen aufführen und sein solistisches Können unter Beweis stellen. Er steckt mitten in den Vorbereitungen, als Mitte März der Lockdown verhängt wird. Wie die meisten Menschen fremdelt Ahmed mit der neuen Lebensrealität. Ensembleproben mit seinen Bandkollegen sind untersagt, alle geplanten und für ihn finanziell so wichtigen Gigs auf unbestimmte Zeit verschoben und der Unterricht an der Musikhochschule pausiert.

Nach anfänglicher Abwehrreaktion gewöhnt sich Ahmed an die neuen Lebensumstände. Während des Lockdowns, in dem die Zeit still zu stehen scheint, blüht Ahmeds Wesen auf. Da die Welt sich nicht im gewohnten Tempo dreht, fällt der Konkurrenzdruck plötzlich ab. Der Straßenlärm verflüchtigt sich, an Orten des Trubels kehrt nun Ruhe ein. Das Social Distancing kommt seiner Introversion entgegen. Keine Rechtfertigung ist von Nöten, wenn er seinen Freunden für die Kneipentour absagt, um für sich sein zu können.

Ein Mann sitzt auf dem Boden, vor ihm ein Saxophon

Die lauten Bigband Proben und den Bühnenlärm vermisst Ahmed nicht. Die Stille und Entschleunigung stellen für ihn keine Leere, sondern fruchtbare, heilsame Ruhe dar. Keine Stagnation, sondern Entwicklung durch Regeneration. In dieser surrealen Blase verflüchtigt sich der quälende Tinnitus. Diese erlösende Erfahrung versetzt ihn über Tage hinweg in einen Zustand der Glückseligkeit.

Abrupt beendet eine E-Mail Ahmeds schwebenden Zustand: Schwarz auf Weiß liegt die Absage seines Abschlusskonzerts vor ihm. Er wird auf den Boden der Realität zurückgeholt: er kann sein Studium nicht abschließen, sein Erspartes ist nahezu aufgebraucht und die Musik scheint ihm keine berufliche Perspektive bieten zu können. Noch ist unklar, ob die positiven Effekte des Stillstands auch langfristig zu einer Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation führen.


Der Film basiert auf der wahren Geschichte Ahmeds. 

Ahmed wurde 1993 in Tunis geboren. Die in seiner Familie verwurzelte musikalische Leidenschaft wird auch von Ahmed gelebt. Er erlernt früh das Klarinettenspiel und kommt im musikethnologischen Schmelztiegel Tunis in Berührung mit Jazz- und Weltmusik. Ahmed fasst den Entschluss, seinen künstlerischen und persönlichen Weg in Europa fortzuführen. Im Jahr 2014 kommt er nach Deutschland und beginnt ein Jazzmusikstudium an der Hochschule für Musik in Stuttgart.