Die Freiburger Psychologin Antonia Prasser (33) würde an dieser Stelle gerne aufwarten mit Expertise und Referenzen in Sachen Poetry Slam und Autorenschaft, hat davon aber genau: null.
Zwar füllt sie Seite um Seite mit Tinte und Gefühl, als introvertierter Mensch sind Bühnen allerdings nicht unbedingt ihr Habitat. Im Namen der Freiheit springt sie nun über ihren Schatten ins Rampenlicht - und freut sich über alle, die Lust haben, sich gemeinsam Gedanken zu machen über das Leben als Feder im Wind.
Antonia Prasser | Feder im Wind - Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
Direkt auf YouTube ansehenFeder im Wind
Die ganze Stadt heut, ungelogen
Besteht nur aus Glitzer und Regenbogen
Christopher Street Day, und ich mitten drin
Tanze und singe, bis ich heiser bin lachen
und küssen mit kirschrotem Mund Love is
love baby, Liebe ist bunt
Ich fühle mich frei
Frei wie eine Feder im Wind
Und vergesse dabei
Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind
Abi in der Tasche
Ich nehm all meine Asche
Um einen langen Flug zu buchen
Schließlich muss ich mich erstmal selber suchen
Und Muscheln auch, am schönsten Sandstrand
Wie wär’s mit einer Insel, wie wär’s mit Thailand?
Wie bitte, Flugscham? Ach was
Ich mach doch dieses CO2-Kompensation-dings-dies-das
Ich nehme den Globus, verpass ihm einen Spin
Und setze meinen Finger random irgendwo hin
Die Welt steht mir offen, hier liegt mein Reisepass
Gratis Eintrittskarte für weltweit Abenteuer und Spaß
Ich fühle mich frei
Frei wie eine Feder im Wind
Und vergesse dabei
Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind
Überall Wahlplakate und alle Prognosen
Sind braun oder schwarz mit braunen Parolen
Heute ist Wahlsonntag
Briefwahl beantragen hab ich verplant
Und heute – leider – bin ich verplant
Ab zum Baggersee mit Freunden und Bier
Ich leb halt im Jetzt, ich lebe im Hier
Ich fühle mich frei
Frei wie -
Freiheit hab ich verdient
So wie jeder Mensch
Doch sie ist nicht mein Verdienst
Das ist ein Unterschied
Egal, wie man es sich zurecht fabuliert
Unsere Freiheit ist nicht garantiert
Allerorten Rechte auf dem Vormarsch
Sorry wir sind echt im A* rgen
Trump marschiert durch Richtung zweiter Kandidatur
Äußert Diktator-Fantasien – und alle schauen nur
Faschisten sind laut, agieren ohne sich zu verstecken
Können in aller Öffentlichkeit ihre Pläne aushecken
Sie zündeln und wollen, dass die Gesellschaft brennt
Auch bei uns die AfD bei über 20% Wehret den Anfängen!
Äh sorry, aber da wären wir schon
Deutsche Politiker planen Deportation
Europa ist im Krieg - Und das Regime
Das die Ukraine zerstört und alle im Außen bedroht
Macht im Innen jeden Kritiker mundtot
Oder einfach ganz tot
Und wir sitzen hier beim Morgenbrot
Lesen die Zeitung und jetzt fängt das schon wieder an
Überall dieser Genderwahn
Diese woke linke Diktatur
Ich mein ja nur
Da muss man doch schon mal ernsthaft fragen
Was darf man heute überhaupt noch sagen?
Alexej Nawalny ist tot
Er sitzt nie wieder beim Morgenbrot
Alexej Nawalny
Hat gekämpft für freie Meinungsäußerung, Freie Wahlen, Demokratie
Dinge, die für uns Federn im Wind
Absolut selbstverständlich sind
Die wir hier in Deutschland heute einfach erben
Während anderswo Menschen – dafür sterben
Ich sage, was ich denke bin kein Fähnchen im Wind Und vergesse dabei dass
meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind
Apropos brennen - unsere schöne Welt brennt
Und was nicht brennt ist überschwemmt Darum
nun
werfen wir einen Blick auf unseren Konsum Wo
und wie wird meine Kleidung produziert
Was genau wird da auf meinem Teller serviert?
Mussten für mein Essen Tiere leiden oder sterben
Und die Ressourcen unserer Erde maßlos überstrapaziert werden?
Die Frage ist: Wie nachhaltig bin ich unterwegs
Sowohl abstrakt als auch sehr konkret
Wohin geht mein nächster Urlaub Und
muss es so weit sein?
Jede Entscheidung, jedes Ja, jedes Nein
Ist meine Chance, Verantwortung zu übernehmen
Sind meine Werte wahrhaftig, oder einfach nur … bequem?
Reden wir nicht länger drum herum
Der Schlüssel zur Freiheit der Zukunft
Heißt Verantwortung
Diese Feder im Wind
Das ist ein schönes Gefühl
Aber eines mit unschönem Kalkül
Vollkommen passiv lass ich mich treiben
Kein aktives Lenken, kein bewusstes Wo-bleiben Alles
easy und chillig, ein Leben im Licht
Doch wird es verbindlich sag ich ne, danke, lieber nicht
Doch langsam segelt die Feder auf den Boden der Tatsachen
Es ist Zeit aufzuwachen
Also denke daran, dass Federn nicht nur fliegen im Wind
Sondern auch sehr gute Schreibwerkzeuge sind
Und so erscheint alles in einem neuen Lichte
Denn wir sind die Autoren unserer eigenen Geschichte
Und das nicht nur im Kleinen
Im Wollen und Meinen
Nein- auch im Großen Im Tun, im
Veränderung anstoßen Du lebst
im Hier und Jetzt?
Schön - ich sag: jetzt oder nie Komm,
wir retten unseren Planeten Und schützen unsere Demokratie!
Demokratie bedeutet Möglichkeit zur Partizipation
Das zu verstehen ist der erste Schritt zur Aktion
Du hast eine Stimme, also nutze sie
Sei laut, geh wählen, Stärke unsere Demokratie
Verschließ nicht die Augen
Sondern nimm dich in Acht
Und bewahre, was dich glücklich macht
Nutze deine Privilegien und deine geliebte Freiheit
Und investiere einen kleinen Teil deiner Zeit
Sei im Kleinen die Veränderung
Die du sehen willst im Großen
Jede und jeder kann Veränderung anstoßen
Ich weiß, man fühlt sich so oft machtlos und verloren
Doch gemeinsam Hand in Hand wird der Wandel geboren
Jeder von uns trifft 20.000 Entscheidungen am Tag, und so kann man das sehen:
20.000 Möglichkeiten für die eigenen Werte einzustehen
Die Zeit des Schulterzuckens ist endgültig vorbei
Mach den Mund auf, lebe nachhaltig, trete ein in eine Partei!
Wir alle nehmen uns nun an die Hände
Und schreiben unsere Geschichte weiter – für ein gutes Ende
Ich fühle mich frei
Frei wie eine Feder im Wind
Und vergesse nie wieder
Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind
Begründung der Jury
Der Text ist eine vielschichtige Reflexion über Freiheit, die persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Beobachtungen der modernen Welt in einer einfühlsamen szenischen Schreibweise mit originellem Sprachrhythmus verbindet. Die Metapher der Feder durchzieht den Text in lyrischen Strophen und wird im letzten Drittel konkretisiert, wodurch die Botschaft verstärkt wird. Der Text wird politischer, indem er die Bedrohung der Demokratie und die Bedeutung des Kampfes für die Freiheitsrechte anspricht. Er endet mit einem Aufruf, Verantwortung für den Planeten und die Demokratie zu übernehmen und erinnert daran, dass Freiheit ein Privileg ist, das gepflegt und verteidigt werden muss.