Poetry-Wettbewerb Zukunft der FREIHEIT der Zukunft | Antonia Prasser

Die Freiburger Psychologin Antonia Prasser (33) würde an dieser Stelle gerne aufwarten mit Expertise und Referenzen in Sachen Poetry Slam und Autorenschaft, hat davon aber genau: null.

Zwar füllt sie Seite um Seite mit Tinte und Gefühl, als introvertierter Mensch sind Bühnen allerdings nicht unbedingt ihr Habitat. Im Namen der Freiheit springt sie nun über ihren Schatten ins Rampenlicht - und freut sich über alle, die Lust haben, sich gemeinsam Gedanken zu machen über das Leben als Feder im Wind.

Lesedauer: 5 Minuten
Antonia Prasser Feder im Wind

Antonia Prasser | Feder im Wind - Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg

video-thumbnail Direkt auf YouTube ansehen


Feder im Wind

Die ganze Stadt heut, ungelogen

Besteht nur aus Glitzer und Regenbogen

Christopher Street Day, und ich mitten drin

Tanze und singe, bis ich heiser bin lachen

und küssen mit kirschrotem Mund Love is

love baby, Liebe ist bunt

 

Ich fühle mich frei

Frei wie eine Feder im Wind

Und vergesse dabei

Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind

 

Abi in der Tasche

Ich nehm all meine Asche

Um einen langen Flug zu buchen

Schließlich muss ich mich erstmal selber suchen

Und Muscheln auch, am schönsten Sandstrand

Wie wär’s mit einer Insel, wie wär’s mit Thailand?

Wie bitte, Flugscham? Ach was

Ich mach doch dieses CO2-Kompensation-dings-dies-das

Ich nehme den Globus, verpass ihm einen Spin

Und setze meinen Finger random irgendwo hin

Die Welt steht mir offen, hier liegt mein Reisepass

Gratis Eintrittskarte für weltweit Abenteuer und Spaß

Ich fühle mich frei

Frei wie eine Feder im Wind

Und vergesse dabei

Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind

 

Überall Wahlplakate und alle Prognosen

Sind braun oder schwarz mit braunen Parolen

Heute ist Wahlsonntag

Briefwahl beantragen hab ich verplant

Und heute – leider – bin ich verplant

Ab zum Baggersee mit Freunden und Bier

Ich leb halt im Jetzt, ich lebe im Hier

Ich fühle mich frei

Frei wie -

 

Freiheit hab ich verdient

So wie jeder Mensch

Doch sie ist nicht mein Verdienst

Das ist ein Unterschied

Egal, wie man es sich zurecht fabuliert

Unsere Freiheit ist nicht garantiert

Allerorten Rechte auf dem Vormarsch

Sorry wir sind echt im A* rgen

Trump marschiert durch Richtung zweiter Kandidatur

Äußert Diktator-Fantasien – und alle schauen nur

Faschisten sind laut, agieren ohne sich zu verstecken

Können in aller Öffentlichkeit ihre Pläne aushecken

Sie zündeln und wollen, dass die Gesellschaft brennt

Auch bei uns die AfD bei über 20% Wehret den Anfängen!

Äh sorry, aber da wären wir schon

Deutsche Politiker planen Deportation

 

Europa ist im Krieg - Und das Regime

Das die Ukraine zerstört und alle im Außen bedroht

Macht im Innen jeden Kritiker mundtot

Oder einfach ganz tot

Und wir sitzen hier beim Morgenbrot

Lesen die Zeitung und jetzt fängt das schon wieder an

Überall dieser Genderwahn

Diese woke linke Diktatur

Ich mein ja nur

Da muss man doch schon mal ernsthaft fragen

Was darf man heute überhaupt noch sagen?

Alexej Nawalny ist tot

Er sitzt nie wieder beim Morgenbrot

Alexej Nawalny

Hat gekämpft für freie Meinungsäußerung, Freie Wahlen, Demokratie

Dinge, die für uns Federn im Wind

Absolut selbstverständlich sind

Die wir hier in Deutschland heute einfach erben

Während anderswo Menschen – dafür sterben

Ich sage, was ich denke bin kein Fähnchen im Wind Und vergesse dabei dass

meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind

 

Apropos brennen - unsere schöne Welt brennt

Und was nicht brennt ist überschwemmt Darum

nun

werfen wir einen Blick auf unseren Konsum Wo

und wie wird meine Kleidung produziert

Was genau wird da auf meinem Teller serviert?

Mussten für mein Essen Tiere leiden oder sterben

Und die Ressourcen unserer Erde maßlos überstrapaziert werden?

Die Frage ist: Wie nachhaltig bin ich unterwegs

Sowohl abstrakt als auch sehr konkret

Wohin geht mein nächster Urlaub Und

muss es so weit sein?

Jede Entscheidung, jedes Ja, jedes Nein

Ist meine Chance, Verantwortung zu übernehmen

Sind meine Werte wahrhaftig, oder einfach nur … bequem?

 

Reden wir nicht länger drum herum

Der Schlüssel zur Freiheit der Zukunft

Heißt Verantwortung

 

Diese Feder im Wind

Das ist ein schönes Gefühl

Aber eines mit unschönem Kalkül

Vollkommen passiv lass ich mich treiben

Kein aktives Lenken, kein bewusstes Wo-bleiben Alles

easy und chillig, ein Leben im Licht

Doch wird es verbindlich sag ich ne, danke, lieber nicht

 

Doch langsam segelt die Feder auf den Boden der Tatsachen

Es ist Zeit aufzuwachen

Also denke daran, dass Federn nicht nur fliegen im Wind

Sondern auch sehr gute Schreibwerkzeuge sind

Und so erscheint alles in einem neuen Lichte

Denn wir sind die Autoren unserer eigenen Geschichte

Und das nicht nur im Kleinen

Im Wollen und Meinen

Nein- auch im Großen Im Tun, im

Veränderung anstoßen  Du lebst

im Hier und Jetzt?

Schön - ich sag: jetzt oder nie Komm,

wir retten unseren Planeten Und schützen unsere Demokratie!

 

Demokratie bedeutet Möglichkeit zur Partizipation

Das zu verstehen ist der erste Schritt zur Aktion

Du hast eine Stimme, also nutze sie

Sei laut, geh wählen, Stärke unsere Demokratie

Verschließ nicht die Augen

Sondern nimm dich in Acht

Und bewahre, was dich glücklich macht

Nutze deine Privilegien und deine geliebte Freiheit

Und investiere einen kleinen Teil deiner Zeit

Sei im Kleinen die Veränderung

Die du sehen willst im Großen

Jede und jeder kann Veränderung anstoßen

Ich weiß, man fühlt sich so oft machtlos und verloren

Doch gemeinsam Hand in Hand wird der Wandel geboren

Jeder von uns trifft 20.000 Entscheidungen am Tag, und so kann man das sehen:

20.000 Möglichkeiten für die eigenen Werte einzustehen

Die Zeit des Schulterzuckens ist endgültig vorbei

Mach den Mund auf, lebe nachhaltig, trete ein in eine Partei!

Wir alle nehmen uns nun an die Hände

Und schreiben unsere Geschichte weiter – für ein gutes Ende

Ich fühle mich frei

Frei wie eine Feder im Wind

Und vergesse nie wieder

Dass meine Freiheiten nicht selbstverständlich sind

Begründung der Jury

Der Text ist eine vielschichtige Reflexion über Freiheit, die persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Beobachtungen der modernen Welt in einer einfühlsamen szenischen Schreibweise mit originellem Sprachrhythmus verbindet. Die Metapher der Feder durchzieht den Text in lyrischen Strophen und wird im letzten Drittel konkretisiert, wodurch die Botschaft verstärkt wird. Der Text wird politischer, indem er die Bedrohung der Demokratie und die Bedeutung des Kampfes für die Freiheitsrechte anspricht. Er endet mit einem Aufruf, Verantwortung für den Planeten und die Demokratie zu übernehmen und erinnert daran, dass Freiheit ein Privileg ist, das gepflegt und verteidigt werden muss.